In der Beitragsreihe "Die Herzensbücher meiner Herzensmenschen" stellen – wie der Name schon erahnen lässt – meine liebsten Menschen jene Bücher vor, die sie bewegt, überrascht, erschüttert, wachgerüttelt, zum Träumen, Weinen oder Umdenken gebracht haben. Kurz: Bücher, die sich einen festen Platz in ihren Herzen und Bücherregalen gesichert haben.
Im heutigen Beitrag entführt euch meine Schwester Julia ins Reich der Mitte und stellt euch ein Buch vor, das ihr kurz vor ihrer China-Reise in die Hände fiel und sie auf so manche Überraschung vorbereitet hat.
Aber ich möchte gar nicht zu viel verraten. Vorhang auf für Julia und den dritten Beitrag der Herzensbücher-Reihe:
Dienstag 2. Oktober 2018
Um 2 Uhr früh im Beijing Capital Airport (PEK) sitzend und mit
der Müdigkeit kämpfend, um nicht vor dem Boarding noch einzuschlafen, bietet es
sich an, der längst überfälligen Bitte meiner Schwester Nana, einen
„Gastblogbeitrag“ zu schreiben, nachzukommen. Meine Buchwahl wurde den
Umständen entsprechend völlig über den Haufen geworfen und fiel nun
spontanerweise auf meine Freizeitlektüre der letzten Woche: „Fettnäpfchenführer
China – Der Wink mit dem Hühnerfuß“ von Anja Obst (7. Auflage, 2016).
Am 25. September ging mein Flug nach Peking für einen
Workshop am Beijing Institute of Technology. Ich hatte absolut überhaupt keine
Zeit, mich auf die Reise vorzubereiten. Nur das Visum konnte ich mit Ach und
Krach noch organisieren. Am Tag vor dem Abflug holte ich mir dann noch diesen
Fettnäpfchenführer (weil ich eine super Erfahrung mit dem Fettnäpfchenführer
für meine Reise nach Südafrika
im Vorjahr gemacht hatte) und dachte eigentlich, dass er dem Titel nach zu
urteilen, China großräumig abdecken würde und ich für Peking nur einzelne
Rosinen herauspicken könnte. Aber nein – er fokussiert sich hauptsächlich auf
Peking. Das mag für Leute, die mehrere Wochen oder Monate durch China reisen
enttäuschend sein; für meine erste einwöchige Erfahrung mit Festlandchina war
er perfekt. Außerdem lässt sich vieles (wie Gewohnheiten, Bräuche und vor allem
Politik) natürlich auch verallgemeinern.
Schnappschuss "Babypopsch" von Julia, aufgenommen während ihrer China-Reise |
Ich finde den Aufbau des Buchs einfach toll! Es ist in 39
kleine Häppchen gegliedert, die einen chinesischen Titel tragen sowie eine
wortwörtliche deutsche Übersetzung und eine sinngemäße. Mehr als die Hälfte des
Buchs habe ich während meines 9,5-stündigen Non-Stop-Flugs von Wien nach Peking
gelesen. Da ich leider eine sehr langsame Leserin bin, sprang ich zwischen den
Kapiteln kreuz und quer herum, um das wichtigste vor meiner Ankunft abzudecken,
wie zum Beispiel „Überleben im Pekinger Verkehr“. (Vor allem die Moped- und Radfahrer,
zum Teil aber auch Eltern mit ihren kleinen Kindern an der Hand, ignorieren
rote Ampeln völlig.) So wie das praktische Büchlein aufgebaut ist, funktioniert
das Kreuz-und-quer-Lesen einwandfrei.
Die Infos werden in jedem Kapitel in drei Arten präsentiert.
Einerseits gibt es den deutschen Austauschstudenten Peter, der ein halbes Jahr
in Peking studiert und sich zurechtfinden muss. Nach jedem Erlebnis bzw.
Fettnäpfchen gibt es aber auch „sachlichere“ Erläuterungen der Autorin und
Infoboxen für vertiefende Erläuterungen, Zahlenmaterial und Verweise auf andere
Kapitel.
Natürlich hat mir der Fettnäpfchenführer insbesondere
deshalb so gut gefallen, weil ich mich in der vergangenen Woche sehr oft in
Peter hineinfühlen konnte und viele Aha-Erlebnisse hatte. Einiges war mir schon
von früheren Begegnungen mit Chinesen rund um den Globus bekannt, vieles war
mir aber neu. Zum Bekannten gehörte das sehr laute Schmatzen beim Essen, aber
auch regelmäßiges Räuspern, Rülpsen und Spucken. Dazu muss ich aber anmerken, dass
mir hier vor allem die 50+ Generation aufgefallen ist.
Zu den neuen Erkenntnissen/Kulturschocks gehörten, wie man
Pekingente richtig isst, dass es für Kleinkinder Schlitzhosen (Kāidāngkù) gibt,
dass die Heizperiode geregelt wird (was man im Herbst leider auch in teuren
Hotels zu spüren bekommt), wie man Visitenkarten überreicht, oder warum man im
Restaurant nur heißes Wasser bekommt. Für mich als Handelsökonomin, die sich
regelmäßig mit der WTO – der Welthandelsorganisation (World Trade Organisation)
– beschäftigt, war es auch besonders amüsant zu lernen, dass es auch eine
Welttoilettenorganisation mit derselben Abkürzung gibt, die in China – Peking
miteingeschlossen – sicher noch sehr viel zu tun hat.
Ohne Popsch, aber trotzdem super: Schnappschuss von Julia aufgenommen während ihrer China-Reise 2018 |
Als kleines Manko wäre anzumerken, dass die Infos zum
U-Bahn-System und auch zur Sauberkeit in Peking veraltet sind. Aber dadurch,
dass sich in beiden Fällen die Situation verbessert hat, ist man als Leser
schon auf das Schlimmste vorbereitet und dafür dann als Tourist positiv
überrascht. Besser so als andersrum.
Mir hat es echt Spaß gemacht, den Fettnäpfchenführer zu
lesen; ich habe viel gelernt und auch direkt anwenden können und würde ihn
daher auf alle Fälle weiterempfehlen.
Autorin: Anja Obst | Titel: Fettnäpfchenführer China: Der Wink mit dem Hühnerfuß
Verlag: CONBOOK | ISBN: 978-3-943176261
PS: Wer jetzt - wie ich - Fernweh bekommen hat, kann sich auf Julias Blog nicht nur allerhand Inspiration in Sachen kreatives Werkeln holen, sondern auch in ganz vielen Reiseberichten stöbern und in Gedanken schon mal beginnen, die Koffer zu packen.