"Ja, ich lese ständig Krimis und Detektivgeschichten, und ich bin sogar nach einer berühmten fiktiven Detektivin benannt, aber jetzt mal im Ernst – wir können doch nicht wirklich selbst Ermittlungen anstellen."
Aus: Die Krimi-Ladys von Dedley End von Victoria Walters, Seite 87
Das verrät der Klappentext
Im malerischen englischen Örtchen Dedley End betreiben Nancy Hunter und ihre Großmutter Jane eine Krimi-Buchhandlung. So aufregend ihre Bücher sind, so beschaulich ist ihr eigenes Leben – bis die Krimi-Ladys zu einem Empfang im Herrenhaus der Familie Roth eingeladen werden. Denn noch während des Begrüßungscocktails stürzt die schöne Lucy Roth über eine Brüstung in den Tod. Schnell wird klar, dass Lucy gestoßen wurde. Aber wer könnte sie ermordet haben und warum? Nancy und Jane beschließen, Nachforschungen anzustellen. Bald jedoch fragen sie sich, ob das eine gute Idee war. Denn der Mörder hat längst bemerkt, dass sie ihm auf den Fersen sind ... [Textrechte: Goldmann Verlag]
Klatsch und Tratsch, Klischees und Typen
Das beschauliche Dörfchen Dedley End (pun intended) bildet
die stimmige Kulisse dieses Cozy-Crime-Romans. Jeder kennt jeden, und Klatsch
und Tratsch ist die Währung schlechthin, denn Spektakel sind rar gesät in dem
kleinen, in den Cotswolds gelegenen Örtchen.
Als in dem Herrenhaus am Hügel, um dessen Bewohner sich so
manche Mythen ranken, seit sie dem Dorfleben vor 30 Jahren plötzlich den Rücken
kehrten, bei einem Fest ein grausamer Mord geschieht, widmen sich die beiden
Krimi-Ladys Jane und Nancy, welche die schnuckelige Krimi-Buchhandlung Dedley Endings führen,
mit Volleifer und einer liebenswürdigen Portion Tollpatschigkeit der Aufklärung
des Verbrechens.
Die Detektivarbeit des ungewöhnlichen Ermittlerduos geschieht
oft auf ulkige Weise, streckenweise aber auch so ungeschickt und spannungslos,
dass die Langatmigkeit des Romans als einer der größten Kritikpunkte genannt
werden muss: Bis die Handlung wirklich in die Gänge kommt, ist man bereits in
der Mitte des Romans angelangt; Mut zur Kürze hätte dem Reihenauftakt gut
getan.
Das Figuren-Ensemble ist recht überschaubar, die
Sympathieträger sogar noch überschaubarer. Der Großteil der Figuren fällt durch
Naivität, Sensationsgier und den Willen, aus dem geschehenen Unglück
größtmöglichen Profit zu schlagen, im ersten Drittel des Romans derart
unangenehm auf, dass man sich im weiteren Verlauf schwer damit tut, mit den
Figuren noch warm zu werden.
Die Figuren blieben für mich leider allesamt sehr typenhaft,
ihre Beweggründe und Handlungen wahnsinnig überspitzte Erfüllungen der ihnen
zugeordneten Klischees.
Holprig empfand ich auch die Dialoge. Haareraufend fragt man
sich immer wieder: „Wer zum Teufel spricht so?“ – Schade um die Haare.
Whodunnit
Das Whodunnit-Moment hingegen ist äußerst gelungen: Praktisch keine Figur blieb von Verdächtigungen meinerseits verschont (nur den Butler, den habe ich nie verdächtigt – das einzige Klischee, das in dem Roman nicht bedient wurde). Die Lösung des Falles hatte ich so nicht kommen sehen und war gut durchdacht, wenn auch hier gewohnt dick aufgetragen wurde.
"Also echt, mir kommt das alles fast wie ein Traum vor.Oder wie ein Roman, ein Agatha-Christie-Roman."Aus: Die Krimi-Ladys von Dedley End von Victoria Walters, Seite 402
(Too) Cozy Crime oder: Nicht Fisch und nicht Fleisch
Die Kriminalgeschichte plätschert dahin, die unnötigen
Längen machen ungeduldig. Das ist mitunter auch dem Umstand geschuldet, dass
die Ermittlungen sowie das Geschehen rund um den Mordfall immer wieder in den
Hintergrund treten, da weitere Handlungsstränge sich mit lange zurückliegenden
Tragödien und Schicksalsschlägen in der Familie der beiden Buchhändlerinnen und
Nancys Liebesleben befassen. Wer das Wort „Wirbelwindromanze“ zu seinen
liebsten zählt, darf auf jeder zweiten Seite beglückt aufjauchzen.
Das Verhältnis war gefühlt leider ein etwas unausgeglichenes: Sehr viel unausgegorenes, die Handlung nicht voranbringendes Liebesdrama. Zu wenig Spannung, zu wenig Crime.
Die Krimi-Ladys von Dedley End ist kein Liebesroman, aber
auch kein Roman, der „Ich bin ein Krimi!“ schreit. Auch wenn die beiden
Elemente einander keineswegs ausschließen und sich in einem Text harmonisch
ergänzen können, hatte ich bei diesem Roman stets das Gefühl, etwas in Händen
zu halten, das weder Fisch noch Fleisch ist. Alles sein will. Unterm Strich
aber recht wenig ist.
Fazit
Alles in allem punktet Die Krimi-Ladys von Dedley End mit einem reizenden Setting und ist ein unterhaltsamer, aber seichter Auftakt einer Krimi-Reihe, dessen Figuren, Handlungsstränge und Sprache mich leider nicht genug zu packen wussten, um die Fortsetzungen lesen zu wollen.