Das Gefühl, Gedichte zu schreiben, die niemand liest, und das Gefühl, Morde zu begehen, von denen man niemandem erzählen kann, sind sich nicht unähnlich.
Aus: Aufzeichnungen eines Serienmörders von Kim Young-Ha, Seite 38
Das verrät der Klappentext: Vor 25 Jahren hat Byongsu Kim seinen letzten Mord begangen. Nun hat der alternde Serienmörder erfahren, dass sein Verstand sich auflöst. Als ein Rivale das Leben seiner Adoptivtochter bedroht, muss er ein letztes Mal töten – bevor ihm die Kontrolle entgleitet …
Mein persönlicher Leseeindruck: Die Aufzeichnungen des siebzigjährigen Byongsu Kims – kurze Notizen, niedergeschriebene Erinnerungen, Reflexionen über Literatur, Musik, das Leben und das Töten – fügen sich zusammen wie kleine Mosaiksteinchen, welche zusammengesetzt das verstörende Bild eines verfallenden Serienmörders ergeben.
Während der greise Protagonist mit allerlei Merkhilfen versucht, seiner fortschreitenden Demenz und der damit einhergehenden Orientierungslosigkeit Herr zu werden, wird der Leser Seite für Seite Zeuge seines permanenten Scheiterns.
Byongsus Lebensinhalte lösen sich auf in quälende Ungewissheit, seine Gedanken und Routinen entgleiten ihm; was man als Leser zunächst für gegeben hält, entpuppt sich in unerwarteten Wendungen immer wieder als bloße Produkte seines zunehmenden geistigen Verfalls. Ist Byongsus Tochter tatsächlich in Gefahr oder entspringt sein Verfolgungswahn dem zunehmendem Chaos in seinem Kopf?
Die Experten dieser Welt kommen mir nur wie Experten vor, solange sie über Dinge reden, von denen ich nichts verstehe.
Aus: Aufzeichnungen eines Serienmörders von Kim Young-Ha, Seite 42
Wer Splatter und exzessive Gewalt erwartet, wird hier enttäuscht. Zwar jagen einem die Passagen, in denen der Protagonist in vollkommener Gefühlskälte – und nicht ohne einen gewissen Stolz – auf seine blutige Vergangenheit blickt, durchaus kalte Schauer über den Rücken; die Hilflosigkeit, in welcher der Protagonist der Zeit und dem Vergessen ausgeliefert ist, macht jedoch den eigentlichen Horror der Geschichte aus. Und ja, trotz all der Abneigung, die man ihm und seinen Taten gegenüber empfindet, kommt man nicht umhin, mitzufühlen – mitzuleiden.
Die Bruchstückhaftigkeit des Romans, die menschlichen Abgründe, in die einen die Aufzeichnungen blicken und fallen lassen, und nicht zuletzt die brillanten Twists machen diesen koreanischen Kriminalroman zu einem schwelend nervenzerreißenden Pageturner.
In meinem Kopf herrscht Durcheinander. Mit dem Schwinden des Gedächtnisses weiß auch das Herz nicht mehr, wohin.
Aus: Aufzeichnungen eines Serienmörders von Kim Young-Ha, Seite 48
Es gibt Dummköpfe, die ihr ganzes Leben damit zubringen, Menschen in die paar Schablonen zu pressen, die sie kennen. Das mag praktisch sein, ist aber auch nicht ungefährlich. Denn Menschen wie mich, die nicht in ihre Schablonen passen, können sie nicht im Mindesten ergründen.
Aus: Aufzeichnungen eines Serienmörders von Kim Young-Ha, Seite 51