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[Rezension] Die Stille vor dem Tod von Cody McFadyen

Dienstag, 13. Februar 2018

Rezension "Die Stille vor dem Tod" von Cody McFadyen www.nanawhatelse.at

Ist es tatsächlich möglich, dass die Ehefrau eines solchen Mannes nicht das Geringste ahnt? Die Antwort lautet ja. Es ist möglich. Manchmal tut man einfach alles, um die Wahrheit zu ignorieren. Verleugnung ist einer der stärksten Antriebe in uns, besonders, wenn der Grund für die Verleugnung Liebe ist.
Aus: Die Stille vor dem Tod von Cody McFadyen, Seite 266. Textrechte: Lübbe

Klappentext: Nicht jeder ist dazu geschaffen, Ströme von Blut zu vergießen. Ich schon.
Ich behaupte aber nicht, überlegen zu sein - nur anders. Mir und anderen meiner Art fehlt die moralische Komponente unserer Handlungen, die den meisten Menschen zu eigen ist. Das bedeutet nicht, dass ich keinen Kodex habe - nur, dass ich nicht euren Kodex habe. Ich bin, was ich bin. Ich habe keine andere Wahl.


"Wie schlimm es auch werden mag - in den wichtigen, entscheidenden Dingen triumphieren die Bösen nur dann, wenn wir sie lassen." Smoky Barrett



Während ich Denise durchs Unterholz folgte, hatte ich Zeit, über das Wesen der Verleugnung nachzudenken, und wie sie unseren Verstand und unsere Herzen blendet.
Aus: Die Stille vor dem Tod von Cody McFadyen, Seite 266. Textrechte: Lübbe

Rezension: Cody McFadyens Smoky Barrett-Reihe stand für mich seit dem ersten Band für spannungsgeladene Plots, herausragende Figuren(konstellationen) und schonungslosen Nervenkitzel. Die Stille vor dem Tod war durchaus nervenzerreißend. Aber leider aus den völlig falschen Gründen.

Fad, langatmig und absolut wirr: Der fünfte Band der Smoky Barrett-Reihe kann sich mit den grandiosen Vorgängerbänden nicht im Ansatz messen und hinterlässt einen äußerst bitteren Nachgeschmack.

Über ein Jahr brütete ich nun über meiner Rezension zum fünften Roman der Smoky Barrett-Reihe von Cody McFadyen, deren Anfänge ich heiß und innig geliebt und atemlos verschlungen habe. Der Schock über die nichtssagende, verworrene Handlung dieser Fortsetzung, die zur Heulsuse mutierte, einst so toughe und einzigartige Protagonistin und die schwafelnde Sprache, mit der sich der Roman von einer trüben Metapher zur nächsten hangelt, wodurch zwar viel geredet, aber kaum etwas ausgesagt wird, saß einfach so tief, dass ich das erst einmal sacken lassen musste.

Wer Lust auf unglaublich spannende und kurzweilige Thriller hat, deren Romanpersonal überzeugt, die dynamische Handlungen, gekonnte Plot Twists, und spritzige Dialoge aufweisen, deren Sprache unter die Haut geht und auch ein wenig Humor nicht vermissen lässt, der sollte sich die ersten Bände der Reihe keinesfalls entgehen lassen – gleichermaßen aber auch die Finger vom fünften Band der Reihe lassen. Denn dieser weist keines der Gütesiegel auf, aufgrund derer ich die ersten Bände der Reihe mit bestem Wissen und Gewissen stets gerne weiterempfohlen habe. 


Alle Serienkiller sind insgeheim verheiratet mit einer Frau namens Mord. Es gibt keinen Ehepartner, der treuer ist, und keine Liebe, die tiefer geht. Sie sind bereit, für sie zu töten, für sie zu sterben, für sie ins Gefängnis zu gehen. Wie sollte man das nennen, wenn nicht Liebe? Wahnsinn vielleicht, aber Liebe und Wahnsinn waren immer schon zweieiige Zwillinge.
Aus: Die Stille vor dem Tod von Cody McFadyen, Seite 299. Textrechte: Lübbe

Satzkonstruktionen, die an Schwulst und Opazität kaum zu übertreffen sind, dominieren lange Passagen des Thrillers. Da kommen einem dann zuhauf Möchtegern-philosophische-Gedankenschnipsel wie folgender unter, während man sich eine Handlungsprogression völlig vergebens (und mit zunehmender Verzweiflung) wünscht:


Das hier ist das Nirgends. Vergessen von dem Universum, von dem es stammt. Es ist alles Linksabbiegen, wo man normalerweise rechts abgebogen wäre – bei allem, was jemals existiert hat und existieren wird. Eine warme Brise weht, ohne mein Haar zu berühren, unablässig und behaglich wie der Mutterschoß.
Aus: Die Stille vor dem Tod von Cody McFadyen, Seite 293. Textrechte: Lübbe

Wie bitte?! 

An einer Stelle des Romans meint die Nebenfigur Kirby an die Protagonistin gerichtet: „Ich verstehe nichts von deinem irren Gefasel“  (Seite 357) – etwas, das man als LeserIn zu 100% nachempfinden kann.

Dieses unselige Schwadronieren der Hauptfigur, die sich mehr und mehr wie eine missverstandene Philosophin und zu keiner Zeit wie eine logisch denkende, rational handelnde, erfahrene FBI-Agentin verhält, nimmt derart viel Platz in dem 480 Seiten umfassenden Thriller ein, dass die schwache, gleichfalls abstruse Handlung (die im 5. Band auch keinen Abschluss findet) einfach gar nichts mehr wett machen kann.




Zwar legt der Autor in mehreren Interviews seine Beweggründe dar, warum er die Entwicklung der Figuren und die Handlung so und nicht anders angelegt hat; das kann man, muss man aber nicht nachvollziehen können. Denn auch, wenn er begründet, warum er Handlung und Figuren derart schwammig und diffus gestaltet, ändert dies nichts an der Tatsache, dass das Endergebnis unglaublich enttäuschend und schwach ist.

Über Geschmack lässt sich ja bekanntlich streiten, aber ich bezweifle, dass es viele Thriller-Liebhaber da draußen gibt, die mit Die Stille vor dem Tod eine wahre Freude haben würden.


Persönliches Fazit: SELTEN habe ich einen Thriller gelesen, dessen Konzept so kompromisslos auf die an das Genre gebundenen Erwartungen gepfiffen hat und dessen Sprache mich abwechselnd unfreiwillig zum Lachen gebracht und an den Rand der Verzweiflung getrieben hat. Noch NIE habe ich eine Reihe gelesen, die nach einem phänomenalen Senkrechtstart plötzlich eine derartige Bruchlandung hinlegt.

Der Literaturkritiker Denis Scheck bezeichnete Die Stille vor dem Tod in einer Sendung des ARD als "durch und durch abgeschmackten Leichenporno" und resümiert, es sei "das Blödeste, das man derzeit zwischen zwei Buchdeckeln nach Hause tragen kann". So leid und so weh es mir als Fan der Bücher von Cody McFadyen auch tut, kann ich dem nur zustimmen.







Autor: Cody McFadyen
Titel: Die Stille vor dem Tod
Originaltitel: The Truth Factory
Übersetzung: Axel Merz
Einband: Gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag
Verlag: Lübbe
Seitenanzahl: 480
ISBN: 978-3-785725665