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Ich war in der Stiftsbibliothek Kremsmünster. Und habe Fotos gemacht.

Sonntag, 22. August 2021


„Ich habe mir das Paradies immer als eine Art Bibliothek vorgestellt.“
– Jorge Luis Borges

Ich habe die vergangenen Sommerwochen(enden) genutzt, um Österreich ein wenig zu erkunden und bin dabei über ein paar außergewöhnliche – und atemberaubende – Orte für Bibliophile gestolpert.

Das Stift Kremsmünster im schönen Oberösterreich hat eine lange und ereignisreiche Geschichte, die bis ins Jahr 777 zurückreicht. Heute ist das Stift nicht nur das Zuhause von 44 benediktinischen Ordensbrüdern; ganz nach dem Motto „ora et labora“ herrscht innerhalb der Mauern arbeitsreiches Treiben. Das Stift zählt zu den traditionsreichsten Weinbaubetrieben Österreichs (die edlen Tropfen können bei Verkostungen probiert oder im Klosterladen gekauft werden), beherbergt einen großen – bis heute genutzten und für Besucher zugänglichen – Fischkalter aus der Zeit des Barock sowie große Blumen-, Gemüse- und Kräutergärten. Die großzügige Anlage wartet zudem mit einer Sternwarte aus dem 18. Jahrhundert auf. Was in einer so geschichtsträchtigen Anlage natürlich auch nicht fehlen darf: Kunstsammlungen und Schatzkammern – zu entdecken und bestaunen im Rahmen von spannenden Führungen.


Deckenfresken Stift Kremsmünster



Die in meinen Augen jedoch großartigste aller Schatzkammern des Stifts Kremsmünster ist die traumhaft schöne Bibliothek. Obwohl es sich bei der Stiftsbibliothek Kremsmünster – anders als beispielsweise bei der Stiftsbibliothek Admont* – nicht um eine Prachtbibliothek handelt, und somit schon bei der Konzeption die Wissensvermittlung ganz klar Priorität vor Prestige und Prahlerei hatte, verschlägt einem die Stiftsbibliothek Kremsmünster doch den Atem. Zwar war ihr Gründer, Carlo Antonio Carlone, als er Ende des 17. Jahrhunderts mit dem Anlegen der Bibliothek begann, sehr darauf bedacht, sie möglichst schlicht zu halten, damit die Wissensdurstigen und Gelehrten nicht zu sehr von ihren Studien abgelenkt würden: wandelt man heute durch die an allen Seiten mit Bücherregalen gesäumten Säle der Bibliothek, beschleicht einen jedoch das Gefühl, dass sich unser Verständnis von „Schlichtheit“ doch etwas gewandelt hat.

Die Bibliothek im Stift Kremsmünster beherbergt insgesamt über 230.000 Bücher. Keine kleine, aber eine extrem feine Sammlung. Der Großteil dieser enormen Büchersammlung befindet sich in einem modernen Magazin. Rund 50.000 der Bücher – vor allem prächtige Lederbände aus dem 16. bis 19. Jahrhundert – kann man in den vier großen Sälen der barocken Bibliothek bestaunen.





Nomen est omen: Die Bibliothekssäle – der Saal der Griechen, der Saal der Lateiner, der Saal der Benediktiner und die kleine Abteilung – wurden (man erahnt es vielleicht bereits) nicht zufällig so benannt. Die farbenfrohen Deckenfresken der Galeriebibliothek sind ein traumhafter Hingucker und stellen biblische und mythologische Analogien der Weisheit und Autorschaft dar – namengebend für die Räumlichkeiten sind jedoch die Portraits in den Hohlkehlen des Griechen-, Lateiner-, und Benediktinersaals, welche griechische, lateinische und dem Orden der Benediktiner zugehörige Gelehrte zeigen, die mit euphorisch-strengem Blick auf die Lesenden hinunteräugeln.

Im Rahmen der Stiftsführung (derzeit täglich um 11:30 und 14:00 Uhr) – die auch die einzige Möglichkeit abseits von Forschungszwecken darstellt, die Bibliothek zu besuchen – kann man zudem ein Kettenbuch und geheime Bibliothekstüren entdecken und der Frage nachgehen, warum man Bücher nicht bloß „öffnet“, sondern sprachlich-brachial „aufschlägt“.





Um die gesamte Klosteranlage ausgiebig zu erkunden, könnte man sich wohl gut und gerne eine Woche Urlaub nehmen. Wer wie ich nur einen Tagesausflug-Abstecher in oberösterreichische Gefilde macht und trotzdem gerne eine geballte Ladung Wissen, eine extra große Portion Kulturflash und 100% Bibliotheksverliebtheit mit nach Hause nehmen will, dem sei die Stiftsführung mit bestem Wissen und Gewissen empfohlen und wärmstens ans Herz gelegt.

Viele weitere Infos zum Stift Kremsmünster, den Führungen, Öffnungszeiten – aber auch zur Bibliothek und ihren Beständen – findet ihr unter Stift Kremsmünster.


*Die oben erwähnte Stiftsbibliothek Admont ist nicht nur die weltweit älteste Stiftsbibliothek, sondern zählt auch zu den schönsten (Stifts-)Bibliotheken der Welt. Und das zurecht. Sie ist nicht nur ein Paradies für bibliophile Geister, sondern auch ein Highlight für Kunstverliebte, da man bei Betrachtung des einzigartigen Zusammenspiels von Schrift, Malerei, Bildhauerei und Architektur schlichtweg vor Wonne vergeht. Einen kleinen Beitrag zur Stiftsbibliothek Admont – natürlich wie immer mit vielen Bildern zum Gustieren – findet ihr HIER.