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[Rezension] Pandatage von James Gould-Bourn

Mittwoch, 19. Mai 2021

Pandatage von James Gould-Bourn


Schon vor einem Jahr habe ich Pandatage gelesen, inzwischen über ein halbes Dutzend Mal verschenkt und jedem empfohlen, der Sprachwitz und außergewöhnliche Figuren in einer kurzweiligen und berührenden Geschichte auf angemessene Weise zu würdigen weiß. Und jetzt wird es wirklich allerhöchste Eisenbahn, dass ich auch hier von dieser ulkigen, bittersüßen Geschichte berichte.


„Das ist ein Panda“, sagte er.
„Sind Sie da ganz sicher?“
„Nein, aber es steht auf dem Etikett.“
Noch immer nicht überzeugt, starrte Danny auf das Kostüm. Wenn es wirklich ein Panda war, dann war es der traurigste Panda, den er je gesehen hatte, einer, der ein übermäßig langes und enttäuschendes Leben voller untreuer Partner und unzuverlässiger Wetttipps verlebt hatte.
Aus: Pandatage von James Gould-Bourn, Seite 72

So viel verrät der Klappentext
Pandas sind manchmal die besseren Väter.
Danny Maloony hat es schwer. Ein Glückspilz war er noch nie, aber seitdem seine Frau vor etwas mehr als einem Jahr bei einem Unfall ums Leben gekommen ist, läuft gar nichts mehr glatt. Sein Sohn Will hat aufgehört zu sprechen, Danny verliert den Job, und als ihm auch noch sein Vermieter mit Rausschmiss droht, kauft er von seinem letzten Geld ein Pandakostüm, um als Tanzbär Geld zu verdienen. Doch tanzen kann er leider auch nicht … Ein Roman voller Situationskomik, der rührend und zugleich saukomisch eine der liebenswertesten Vater-Sohn-Beziehungen in der Literatur beschreibt. (Textrecht: KIWI Verlag)


Elend, Komik, und eine kleine Prise Zufall
Komik und Elend umarmen sich in diesem Roman Zeile für Zeile. Gerade aber der tragikomische rote Faden, der die Geschichte durchzieht, macht sie zu einer, die das Leben genau so schreiben könnte: Denn das Leben ist nur selten perfekt, es tut weh, es kneift und ziept, und trotz alledem versteckt sich doch hinter beinahe jeder Ecke ein schöner Moment, der bloß darauf wartet, gelebt zu werden. Und der Zufall hat sowieso in wirklich allen guten Geschichten seine Finger im Spiel. Genau daran erinnert uns Pandatage: auf herrlich schräge und liebenswerte Weise.


In einer Zeit, in der nichts mehr Sinn ergab, einer Zeit, in der dein Verstand aufhörte, dein Freund zu sein, und zu deinem ärgsten Feind wurde, war die Arbeit manchmal das Einzige, was zwischen dir und dem Wahnsinn stand.
Aus: Pandatage von James Gould-Bourn, Seite 202


Familiengeschichte zwischen Lachen und Weinen
Pandatage vereint vieles, was ich besonders liebe: Bildlichkeit und Pepp, Tiefgang, freche Dialoge und Comedy, mehrdimensionale Figuren, Diversität und Botschaften, die nachhallen.

Ich habe mit Danny Tränen gelacht. Und mit ihm mitgelitten, als würde mich selbst jeden Morgen die blanke Verzweiflung als erstes grüßen. James Gould-Bourn lässt einen hautnah miterleben, wie schwer es ist, die Lücken, die geliebte Menschen hinterlassen, zu akzeptieren, nach und nach mit schönen Erinnerungen und Lachen zu füllen und das Glück wieder zuzulassen. Gerade im Fall von Danny und seinem Sohn Will klafft diese Lücke besonders tief, denn Dannys plötzlich verstorbene Frau war der Kleister, der die Familie zusammenhielt; ohne das glänzende Verbindungsstück fühlen sich die beiden wie die losen Glieder einer Kette, die einmal zusammengehört haben, einander aber erschreckend fremd sind. Bis die beiden einander wieder näherkommen, braucht es Zeit. Und: ein etwas mitleiderregendes Pandakostüm.


Seinem Scheitern lag keine komplexe Formel zugrunde. Er wusste genau, was das Problem war. Er konnte einfach nicht tanzen. Er konnte noch nicht einmal auf jene liebenswert miese Art tanzen, die den Leuten ins Gedächtnis rief, dass sie ihren alten Vater mal wieder anrufen sollten. Er konnte auch nicht auf jene So-schlecht-dass-es-lustig-ist-Weise tanzen, die Teenager dazu gebracht hätte, ihn zu filmen und die Videos bei YouTube hochzuladen, was er angesichts all der rätselhaften Dinge, die YouTuber zum Totlachen fanden, als seltsam beleidigend empfand.
Aus: Pandatage von James Gould-Bourn, Seite 112

 

Pandatage von James Gould-Bourn

Ein Hoch auf liebenswerte Side Kicks
Ihr kennt sicher diese von Piano-Musik und leichtem Flimmern begleiteten Slapstick-Filme, in denen garantiert jemand aus seinem Auto steigt und direkt in einem Kanalschacht verschwindet, dessen Deckel ein Bauarbeiter nur zwei Sekunden zuvor entfernt hat? Genau diese Art von humoristischen Lawinen treten die ProtagonistInnen Seite um Seite los, stolpern von einem Hoppala ins nächste und zeigen dabei aber immer wieder, dass gemeinsam alles nur halb so schlimm ist.

Während man ganz ohne Neid zugeben muss, dass James Gould-Bourn mit den beiden Protagonisten Will und Danny zwei ganz außergewöhnlichen Figuren Leben eingehaucht hat, sind es unbestritten die hervorragend gezeichneten Nebenfiguren, die die Geschichte so richtig in Schwung bringen und mit denen der Autor einen neuen Goldstandard in Sachen Figurencharakterisierung gesetzt hat. Gut gelungen das ist.


„Ich gebe dir hundert Pfund, wenn du vor einen Bus springst.“
Danny dachte kurz darüber nach.
„Muss der Bus fahren?“, fragte er.
Aus: Pandatage von James Gould-Bourn, Seite 147

Auf die tatkräftige, etwas tollpatschige Hilfe der schrullig-liebenswürdigen Freunde von Danny und Will ist Verlass – und mit jedem ihrer Auftritte zaubert einem die Geschichte ein Lächeln auf die Lippen oder einen kleinen Kloß in den Hals.

Aber auch die (vermeintlichen) Bösewichte der Geschichte – und auch hier greift der Autor auf Fieslinge zurück, mit denen jeder einzelne Leser und jede einzelne Leserin selbst vermutlich schon einmal zu kämpfen hatte: Schul-Mobber, mafiös anmutende Vermieter, Schwiegereltern (!) – verhelfen dem Roman nicht Unwesentlich zu seinem herrlich burleskenhaften Charme.


„Ich kann nicht aufhören zu tanzen“, sagte Ivan mit leichter Panik in der Stimme.
„Wie lange dauert das normalerweise?“, fragte Danny.
„Bis die Musik aufhört!“, sagte der Hai.
„Welche Musik?“, sagte Ivan.
„Eben!“, sagte der Hai.
Aus: Pandatage von James Gould-Bourn, Seite 110

Fazit
Handlung, Figurenensemble, Sprache: hier spielt alles so wunderbar Hand in Hand und ist gleichzeitig so überraschend komponiert als würde man einer russischen Polka lauschen, die nahtlos in eine Mozartoper übergeht. LOVED IT.



Pandatage von James Gould-Bourn


Pandatage von James Gould-Bourn
Originaltitel: Keeping Mum | Übersetzung: Stephan Kleiner | Hardcover mit Lesebändchen |
KiWi Verlag | ISBN: 978-3-462-05364-7

Danke für dieses wunderbare Geburtstagsgeschenk, Markus.