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[Rezension] So wie Kupfer und Gold von Jane Nickerson

Donnerstag, 14. Mai 2015

Foto: www.nanawhatelse.at, Bildrechte (Cover): cbt

Ein klein wenig zum Inhalt: Mit nur 17 Jahren zur Waise geworden, nimmt Sophias charismatischer Patenonkel Bernard de Cressac sie bei sich auf seinem Landgut auf. Während Bernard ihr sogleich ein Leben in Luxus und Wohlstand verspricht und sie mit Geschenken und Komplimenten überhäuft und es zuerst scheint, als ob alle von Sophia lang gehegten Träume und Wünsche in Erfüllung gehen würden, zeigt sich bald, dass ihr Gönner nicht nur eine liebevoll-einnehmende, sondern auch eine erschreckend bösartige Ader besitzt. Doch wer kann ihm seine Stimmungsschwankungen verübeln, ist er doch vom Schicksal schwer gezeichnet? Sophia verzeiht ihm seine Launen und schwärmt für den attraktiven Einsiedler, mit dem piratenhaften Aussehen, denn wer könnte einem Mann nachtragend sein, dessen Kummer darüber, bereits mehrere geliebte Ehefrauen zu Grabe getragen zu haben, so groß zu sein scheint? Während sie zuerst noch Mitleid hat mit Bernard, wächst ihr Unbehagen gemeinsam mit ihren Zweifeln, als sie grausige Entdeckungen macht und ihr Patenonkel sie immer mehr von der Außenwelt abzuschotten versucht…
Zitatrecht © cbt
Idee: Während der Klappentext lediglich eine düstere Familiengeschichte verspricht, zeigt sich bald, dass die Idee hinter dem Buch wohl eine moderne Schauermärchenadaption ist. Blaubart 2.0 sozusagen! Da ich ein großer Märchen-Fan bin und Blaubart zu meinen Lieblingen dieser Gattung zählt, war ich also nach den ersten Seiten und märchenhaften Anspielungen mehr als gespannt, wie die Autorin diese von mir heiß geliebte Gruselgeschichte in ein modernes (bzw. moderneres – die Handlung spielt im Jahr 1855!) Gewand kleiden würde.

So viel vorweg: Diesen Jugendroman als Blaubart reloaded zu bezeichnen, wäre (leider) zu kurz gegriffen: Man nehme ein düsteres Grimm-Märchen, versetze es in die Zeit der Sklavenaufstände in Amerika, und mache einen modernen, gesellschaftskritischen (Fantasy-)Jugendroman daraus. Ob das gut geht? 
Zitatrecht © cbt
Umsetzung: Wie bereits erwähnt, lässt der Klappentext eigentlich nicht darauf schließen, dass es sich bei „So wie Kupfer und Gold“ um eine Märchenadaption handeln könnte. Im Text jedoch finden sich explizite Anspielungen auf das Grimmsche Märchen „Blaubart“, von dem ich seit jeher fasziniert bin. Während ich Märchenadaptionen (die sich in den letzten Jahren ja großer Beliebtheit zu erfreuen scheinen) also generell eher zugetan bin und auch die Idee eines modernen Blaubarts großartig fand (und noch finde!), muss ich gestehen, dass die Umsetzung leider etwas holprig wirkte. Zum einen wird mit Sophia (oder Sophie? Leider konnte man sich nicht durchgängig für einen der beiden Namen entscheiden) eine Protagonistin vorgestellt, mit der man nur recht mühsam warm wird: zu oberflächlich, zu naiv, zu ich-bezogen (ich versuche an dieser Stelle wirklich krampfhaft das Wort hirnlos zu meiden) tritt sie auf, um vom Leser ins Herz geschlossen zu werden. Aber tatsächlich macht das unsympathische Naivchen im Laufe der Handlung eine beachtliche, positive Wandlung durch – auch wenn am Ende dieser leider keine toughe Heldin steht. Der Charakter des Blaubart wirkte auf mich insgesamt leider zu gewollt. Zu Beginn konnte mich die Zweischneidigkeit dieses noblen Schurken noch überzeugen – launenhaft, gereizt, sadistisch in seinen vier Wänden und dennoch charmant und charismatisch nach außen hin. Im Laufe der Handlung litt die Authentizität dieses Charakters jedoch darunter, dass die Autorin versuchte, die Geschichte mit dutzenden weiterer Ideen zu „bereichern“. (ACHTUNG – SPOILER!) Nicht nur erscheint er als aalglatter Gattinnenmörder, nein, er knüpft auch wehrlose Tiere an Bäume, vergewaltigt alte Haushälterinnen, um sie dann entehrt mit Leibeigenen zu verheiraten, peitscht Sklaven aus purer Freude aus, hat unaussprechliche sexuelle Vorlieben … (Just for Info: Altersempfehlung vom Verlag: Ab 13 Jahren!)

Diese unnötige Überladenheit ließ mich des Öfteren gerade gegen Ende des Buches verstimmt mit den Augen rollen. TOO MUCH! Sich an die Devise „Weniger ist mehr“ zu halten, hätte diesem Buch sicherlich gut getan. So wurden unzählige Ideen aufgegriffen, die leider relativ unausgereift blieben, viele Fragen hinterließen und zu einem mittelprächtigen Gesamteindruck führten. 

Bernard ist das personifizierte Böse – das hast du so hinzunehmen, lieber Leser. 
Warum er tut, was er tut und wie er so geworden ist? Who cares!

Zusammenfassend: Der Beginn des Buches liest sich leider etwas zäh (was sicherlich auch an der Protagonistin liegt, deren Charakter man zu Beginn nur leidend erträgt), in der Mitte nimmt die Erzählung an Fahrt auf, es wird spannend und gruselig, die Parallelen zum Blaubart-Märchen werden deutlich, man darf sich zurücklehnen und genießen, nur um dann weinenden Auges miterleben zu müssen, wie die Geschichte zum Ende hin leider wieder an Authentizität einbüßt, Vorhersehbarkeit an die Stelle von atemloser Spannung tritt und das Naivchen Sophie/Sophia zurückkehrt. 

Gestaltung: Wunderschön gestaltet, verleitete mich dieses gebundene Buch zu einem – ich gebe es zu – Coverkauf. Das Profil eines hübschen Mädchens mit wallender roter Mähne, dazu der ins Auge fallende Titel und die gelungene Farbkombination aus Orange-, Rot- und Brauntönen zusammen mit dem schönen Kontrast des smaragdgrünen Leinens machen diesen Jugendroman zu einem Buch, nachdem man greifen muss. 

Soundtrack: Perfekt auf die Blaubart-Lektüre stimmte mich „Der Tod und das Mädchen“ von Schubert ein:

Fazit: Eine meiner Meinung nach brillante Idee, der die Umsetzung leider nicht das Wasser reichen kann. Da unglaublich viel Potenzial verschenkt wurde, reicht es leider nicht für meine Leseempfehlung, dennoch kann man – wenn man ohne große Erwartungen (und ohne Kenntnis des Blaubart-Märchens?) an die Lektüre geht, seine Freude mit diesem Buch haben. 


Leider hat’s zum Highlight nicht gereicht, unterhaltsamer Lesespaß für Zwischendurch war „So wie Kupfer und Gold“ aber allemal.

Ich vergebe 3 von 5 Gerrys.