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[Rezension] Deine Lippen, so kalt von Amy Garvey

Dienstag, 10. September 2013

"Wer immer entschieden hat, dass Liebe wehtun soll, 
ist ein Arsch."
[Seite 279] Zitatrecht © cbj

Foto: Nana - What else?
© cbj
Ein klein wenig zum Inhalt: Wrens Leben ist vielleicht nicht perfekt - aber nahe dran. Denn sie hat die Liebe ihres Lebens gefunden. Diese eine unersetzliche Liebe. Danny, der schlaksig, süß und glücklich ist, wenn er Wren ein Lächeln auf die Lippen zaubern kann, ist ihr perfektes Gegenstück. Mit ihm kann sie Pferde stehlen, stundenlang lachen oder einfach nur zusammengekuschelt die Stunden verstreichen lassen und das Glück neu definieren. Bis Danny bei einem schweren Autounfall stirbt. Für Wren bricht die Welt zusammen. Nie hat sie Danny von ihren magischen Fähigkeiten erzählt - und eigentlich weiß sie, dass ihren Kräften auch eine große Verantwortung folgt - dennoch kann sie nicht anders, als Danny zurückzuholen. Mit fatalen Folgen. Denn Danny ist nicht mehr der süße Junge, in den sie sich verliebt hat - und dennoch kann sie die Liebe zu ihm nicht loslassen. Die Dinge scheinen für Wren auch nicht einfacher zu werden, als der Neue, Gabriel, in die Schule kommt, und sofort durchschaut, dass Wren kein gewöhnliches Mädchen ist. Zwar versucht sie ihm aus dem Weg zu gehen, doch ihr Herz schlägt gefährlich höher, wenn sie in Gabriels Nähe ist. Zu verführerisch ist es, einen Jungen neben sich zu haben, dessen Herz ebenfalls schlägt. Doch darf sie Gabriel mögen? Vor allem wenn ihr toter Freund in der Garage der Nachbarin haust...

Idee: Eine verzwickte Dreiecksgeschichte, die mit moralischen Werten geradezu jongliert. Ein toter Junge, den man liebt. Ein lebendiger Junge, dessen Herz für einen schlägt. Darf man loslassen? Muss man loslassen, wenn man liebt? Eine anrührende Idee, die gewürzt mit ein klein wenig Hokuspokus ein magisches Lesevergnügen hätte sein können. Hätte sein KÖNNEN.

"Ich hätte dich geküsst, weißt du", sagt er und fährt mit der Hand über meine Rippen, wobei er  jede einzelne mit seinem Daumen antippt. "Wenn du mich nicht zuerst geküsst hättest."
Ich glaube ihm. Aber alles in allem spielt es eigentlich keine Rolle. Ich bin ihm schon immer einen Schritt voraus gewesen, selbst wenn ich nicht weiß, in welche Richtung ich gehe oder wohin es uns führen wird.
[Seite 18] Zitatrecht © cbj

Umsetzung: Die Idee ist schlichtweg ein deppensicheres Rezept für eine wunderbare Geschichte. Tja, wie es aber manchmal so ist mit sicheren Strategien: sie gehen dennoch oft daneben.
Mir schien es fast so, als wäre bewusst versucht worden, den (natürlichen) Gang der Story zu zerstören. Jede Geschichte hat so ihre eigene Melodie - in diesem Fall schien es mir, als hätte die Autorin diese Melodie mit aller Kraft zum Verstummen bringen wollen, um auf Biegen und Brechen bei jeder sich bietenden Gelegenheit einen disharmonischen Ton einzuwerfen. Ich gestehe, die Umsetzung machte mich sauer. Wie kann man eine Geschichte mit so viel Potenzial nur so konsequent kaputt machen?
Jede interessante Fügung wurde im Keim erstickt. Danny, um den es ja eigentlich ging, kam KEIN EINZIGES MAL zu Wort - jedes Mal wenn er auch nur dazu ansetzte, nutzte die liebe Wren ihre Magie, um ihn in tiefen Schlaf fallen zu lassen. "Schatz, du hast was zu sagen? SCHLAF GEFÄLLIGST!" Dass dadurch die verfahrene Romantik der Ausgangssituation leider gewaltig zu leiden hatte, kann man sich vorstellen. Auch um Wrens Tante, mit der ihre Mutter kein Sterbenswörtchen mehr wechselt (Warum? Da fragt ihr mich zu viel...), und um ihren verschwundenen Vater drehen sich viele Fragen. Was der neugierige Leser als Antwort bekommt, wo der werte Herr Vater denn hin ist und was ihn dazu bewegt hat abzuhauen: "Dein Vater hatte sehr gute Gründe dafür, zu gehen." Und dann noch "Was er getan hat, hat er aus Liebe getan, Wren." Aaah ja. Und was genau HAT ER GETAN?!? Hat er sich beim Jodeln verschluckt, ist während dem Zähneputzen von Aliens entführt worden oder hat die Nachbarin vernascht? Man weiß es nicht. Und wenn ich schon so frustriert bin, wie muss es da erst Wren ergehen? Alles was dem Buch Spannung verliehen hätte, wurde vollkommen ungeschickt unter den Teppich gekehrt und nicht mehr zur Sprache gebracht. Große Hoffnungen setzte ich in das Ende. Die Geschichte muss ja irgendwie emotional berühren oder? Nein. Tut sie nicht. Lieblos, kalt und erschreckend schnell wird auch das Ende abgehandelt. Unglaublich schade.
Ich habe auch schon recherchiert, ob eventuell ein zweiter Teil in Planung ist - dem ist jedoch angeblich nicht so. Irgendwie tragisch, dass so viele Fragen offen bleiben, irgendwie aber auch eine Erleichterung, dass diesem Buch kein zweiter Band folgt.
Die Botschaft des Buches finde ich gut: Wir müssen mit dem Tod klarkommen. Wir müssen unser Leben weiterleben, auch wenn wir jemanden Geliebten verlieren: denn das Leben ist es wert gelebt zu werden! Ob man sich jedoch drei Monate nach dem Tod der (ersten) großen Liebe schon in der nächsten Beziehung wiederfinden sollte? Tja, vielleicht scheiden sich da die Geister.

Gestaltung: Das Buch ist wunderschön. Wunderwunderwunderschön, meiner Meinung nach - ein verspielter Eyecatcher, der das Buch sofort auf meine Wunschliste und in mein Regal wandern ließ. Aber wie es oft ist mit schönen Dingen, hat auch dieses Buch einem zweiten Blick nicht standgehalten.

Soundtrack: Den Soundtrack liefert das Buch selbst. Jedes Pärchen hat seinen Song. Ein spezielles Lied, das nur für diese zwei Menschen geschrieben scheint. Dannys und Wrens Song ist "Visitation Of The Ghost" von The Brobecks. Energiegeladen wie Wren :-)


Fazit: Eine absolut wundervolle und spannende Idee, die erstklassig ... in den Sand gesetzt wurde.

2 von 5 Sternen
(für Idee und traumhafte Gestaltung)


Gebundene Ausgabe: 320 Seiten
Verlag: cbj
ISBN-10: 3570153320
ISBN-13: 978-3570153321
Vom Hersteller empfohlenes Alter: Ab 12 Jahren
Originaltitel: Cold Kiss
Eine Leseprobe und weitere Infos gibt's HIER!