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[Rezension] Zu zweit tut das Herz nur halb so weh von Julie Kibler

Samstag, 13. Oktober 2012

Meine Zwillingsschwester hat mir dieses Buch wärmstens mit den Worten:"Bevor du beginnst "Zu zweit tut das Herz nur halb so weh" zu lesen, versichere dich, dass Schokolade, Taschentücher und ein Kissen zum Drücken bereitliegen..." empfohlen. Ihr Ratschlag war tatsächlich Gold wert.

Foto: www.nanawhatelse.at, Bildrechte (Cover): Pendo
Miss Isabelles schlichte Zeremonie ohne Familie und Freunde, nur mit dem Reverend und seiner Frau Sarah Day, beeindruckte mich. Sie hatten aus den richtigen Gründen geheiratet - egal, was die anderen davon hielten. Viele von den verheirateten Frauen, die zu mir in den Salon kamen, erkannten ihren Fehler, bevor die Tinte auf den Formularen trocken war.
aus: "Zu zweit tut das Herz nur halb so weh" von Julie Kibler, Bild- und Textrechte: Pendo

Ein wenig zum Inhalt: Dorrie und die frech-elegante Miss Isabelle sind ein schräges Gespann. Die dunkelhäutige Dorrie, die mit ihrer Familie, ihrem furchtbaren Exmann, den stetig eintrudelnden Rechnungen und dem alltäglichen Leben zu kämpfen hat und die kesse weiße Miss Isabelle, die sich kein Blatt vor den Mund und sich selbst und andere selten ernst nimmt, verbindet jedoch trotz all ihrer Unterschiede eine tiefe Freundschaft. Und so begeben sie sich zusammen auf die weite Reise nach Cincinatti mitten in Miss Isabelles Vergangenheit ... Eine Reise, die auch Dorrie verändern wird.

Idee: Ein Mädchen und ein Junge - ein Herz und eine Seele im Kentucky der 30er Jahre. Sie würde alles verbinden, würde ihre Hautfarbe sie nicht trennen. Isabelle und Robert, deren Geschichte das Herz weinen und freudig hüpfen lässt, wie jene von Romeo und Julia, und dennoch ohne dramatischen Kitsch auskommt, sondern vom Leben geschrieben wurde und schlicht von ihrer Authentizität, Schnörkellosigkeit und Tiefe lebt.

Umsetzung: Die Kapitel werden jeweils abwechselnd aus der Sicht von Dorrie und Miss Isabelle erzählt, wobei Dorrie den Leser durch die Jetzt-Zeit führt, während uns Miss Isabelle ihre Geschichte in Retrospektive erzählt (abgeschlossen ist sie deswegen jedoch noch lange nicht).
Julie Kibler schreibt blumig und dennoch ohne Schwulst, sie erzählt von den Sonnen- und Schattenseiten des Lebens, ohne sofort immer klar zu machen, auf welcher sich die Protagonisten zurzeit befinden. Unvorhersehbare Wendungen in der Handlung, die Zeitsprünge, die Aktualität eines viel zu alten Themas und die wunderbar gezeichneten Charaktere, lassen für mich nur einen Schluss zu: Die Umsetzung von Miss Isabelles Geschichte - ob es sich nun um eine Liebesgeschichte, ein Drama mit komischen Momenten oder eine 310 Seiten umfassende Weisheit handelt, sei dahingestellt - ist Julie Kibler in ihrem Debütroman rundum gelungen, und ich freue mich bereits jetzt auf weitere Romane aus der Feder dieser überragenden Autorin!

Die beiden Paare im Café führten mir meine Situation vor Augen: Ich konnte erstarren und ewig meinen Verlusten nachtrauern oder versuchen, den Schritt in die Zukunft zu wagen.
aus: "Zu zweit tut das Herz nur halb so weh" von Julie Kibler, Bild- und Textrechte: Pendo

Charaktere: Die wunderbar selbstironische und gegen den Strom schwimmende Miss Isabelle lernt man als leidendes Mädchen, als verliebte, leidenschaftliche, verzweifelte Frau, als gekränkte Tochter, als sich aufopfernde Mutter und als Oma, die mit einem Augenzwinkern so manche kleine Frechheit vom Stapel lässt, kennen. Sie ist eine der toughsten aber auch sensibelsten und gerade durch ich witzig bis freches Mundwerk warmherzigsten Protagonistinnen, die mir jemals in einem Roman begegnet ist. Man lernt alle Stationen ihres Lebens kennen, leidet mit ihr, freut sich mit ihr und für sie, möchte sie in den Arm nehmen und vor Schicksalsschlägen bewahren - und gleichzeitig möchte man etwas von ihrer Stärke, Loyalität und Zuversicht in sich aufnehmen. Dorrie ist eine starke Persönlichkeit, hilfsbereit ohne Ende, aber ihre Vergangenheit beschert ihr Angst vor der Zukunft. Es gab für mich nichts schöneres, als zu sehen, dass Miss Isabelles Vergangenheit - ihre Geschichte -, Dorrie die Augen öffnen konnte, für die wirklich wichtigen Dinge im Leben. Natürlich spielen noch viele viele weitere wunderbare Charaktere eine große Rolle in diesem großen Roman, von denen man keinen einzigen missen möchte. Ihre Bekanntschaft zu machen, möchte ich jedem Leser und jeder Leserin ans Herz legen, denn sie alle halten ihre ganz eigene Geschichte parat.

Gestaltung: Das Cover ist wunderschön und stimmte mich ein wenig melancholisch. Eine weite verlassene Landstraße bei Nacht, nur ein einsames Auto, das Licht der Scheinwerfer verliert sich im Dunkeln. Und in gelben Lettern vor dem Hintergrund des Nachthimmels der Titel, welcher mich sofort verliebt in sich gemacht hat: Zu zweit tut das Herz nur halb so weh. Auch gebunden ist das Buch traumhaft schön und zudem mit einem von mir so heiß geliebten silbrig-weißen Lesebändchen versehen. "Zu zweit tut das Herz nur halb so weh" ist nicht nur ein literarischer Schatz, sondern eine Augenweide, die den besten Platz im Bücherregal zurecht für sich beanspruchen darf.

Passender Soundtrack: Mein persönlicher Soundtrack für "Zu zweit tut das Herz nur halb so weh" ist das Lied "Boston" von Augustana. Furchtbar traurig und unsagbar schön, hat es in mir genau die Stimmung heraufbeschworen, die auch das Buch aufkommen lässt.

Persönliches Fazit: Ein Roman über Schicksal, Zufall und das Leben dazwischen. Ein Roman über die Ewigkeiten und Grenzen der Liebe. Ein Roman der seinesgleichen sucht.

Meine uneingeschränkte, von ganzem Herzen kommende Empfehlung.
Ich vergebe 5 von 5 Gerrys!


Zu zweit tut das Herz nur halb so weh von Julie Kibler | Originaltitel: Calling Me Home | Übersetzung: Sonja Hauser 
Gebundene Ausgabe, 320 Seiten |  Pendo Verlag 2012 | ISBN: 978-3866123250