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Zwischen Liebeserklärung und Rant: Ein letzter (?) Tanz mit den Königskindern

Samstag, 12. Mai 2018

Als ich gefragt wurde, ob auch ich im Rahmen der Aktion „Ein letzter Tanz mit den Königskindern“ ein paar Zeilen über die von mir so heiß geliebten Titel des Königskinder Verlages schreiben wollte, war klar: ja, ich will. Und wie. Ich will ganz laut und mit all der Begeisterung, die mich jedes Mal packt, wenn ich einen der Königskinder-Titel in Händen halte, von diesen Büchern und der hervorragenden Verlagsarbeit schwärmen, davon erzählen, warum die Romane, deren Buchdeckel ein Krönchen ziert so lesenswert, literarisch wertvoll und besonders sind und … 

… ich will und muss und kann einfach nicht anders, als ein wenig Dampf abzulassen.

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Der Tanz beginnt


Meine Liebe zu den Königskindern wurde – wie das bei den ganz großen Liebesgeschichten nun mal ganz oft so ist – mit nur einem Blick entfacht und zwar an einem der für Bibliophile wohl romantischsten Orte überhaupt: in den buchigen Hallen Leipzigs. 

Ein einziges Buch – hatte ich mir vorgenommen – würde ich mir als Messe-Souvenir gönnen: nachdem ich zuvor stundenlang durch Meere an Büchern gewandert war, ohne dass auch nur ein einziges Buch mir zugezwinkert, mit mir geshakert, mich zum Tanzen aufgefordert hätte, kam ich am Stand des Königskinder-Verlages vorbei. Ein Blick auf Alles, was ich sehe von Marci Lyn Curtis hatte gereicht, ich war schockverliebt, elektrisiert, gefühlsgeschwurbelt-glücklich. Aber der Schein trügt ja bekanntlich oft und die inneren Werte zählen halt doch mehr als die ansprechende Verpackung: Wie schöne Augen können natürlich auch Aufmachung und Klappentext eines Buches Freuden versprechen, die dann nicht eingehalten werden. So sehr ich mich auch in mein erstes Königskind verguckt hatte, NOCH stand diese Liebe auf dem Prüfstand. 

Nach einer mehrstündigen Zugfahrt von Leipzig nach Salzburg wusste ich dann: Königskinder sind nicht nur optisch Hingucker sondergleichen, sondern wirklich zum Sich-Verlieben gemacht.

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„Du liest also keine Bücher über Drachen?“ Ich schüttelte den Kopf.

„Zauberer?“ Ich verdrehte die Augen.

„Mystiker? Astronauten?“ Ich knurrte.

„Mann, Thera. Das ist doch kein Leben“, sagt er. Er lächelte dabei.

Aus: Alles, was ich sehe von Marci Lyn Curtis, Seite 42. Zitatrecht: Königskinder Verlag

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#ichbineinkönigskind 


Nach Alles, was ich sehe zogen bald viele weitere Königskinder in meine Bücherregale ein: Milchmädchen von G.R. Gemin, Salz für die See von Ruta Sepetys, Cavaliersreise von Mackenzie Lee, Wörter auf Papier von Vince Vawter und viele mehr und eines nach dem anderen zog mich in seinen Bann, begeisterte mich durch das außergewöhnliche Romanpersonal, die ungewöhnlichen Handlungen, in denen sozialkritische Aspekte beleuchtet werden, dem Wunsch nach Diversität in der Literatur Rechnung getragen wird, blumige Liebesgeschichten genauso Platz finden wie knallharte Realitäten.

Wo das Königskinder-Krönchen drauf ist, sind unfassbar schöne, berührende Geschichten drin, in denen sich außergewöhnliche Figuren tummeln, Tabu-Themen nicht umschifft, sondern ganz bewusst thematisiert werden und sich Seite für Seite allerhand Identifikationsmöglichkeiten bieten. Es sind Geschichten, die nicht nur inhaltlich, sondern auch sprachlich von ganz besonderer Qualität sind. Die Königskinder-Krone ist für mich zum Gütesiegel für großartige Literatur geworden, die ihresgleichen sucht. 

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Der letzte Tanz (?) 


Mit einem weinenden und einem lachenden Auge feierte ich den Erscheinungstermin des lange ersehnten neuen Programms des Königskinder Verlages im März – denn es war nicht nur das neueste Programm meines Herzensverlages, sondern sollte auch das letzte sein.

Da freut man sich zugleich unglaublich auf neue, berührende, liebevoll in bezaubernd schön gestaltete Buchdeckel und traumhaft illustrierte Cover verpackte Geschichten, während man gleichzeitig unsagbar traurig darüber ist, dass dies das letzte Programm eines Verlages sein soll, der so viel Wert auf Diversity und Tiefgang in Jugendbüchern legt und in dessen Büchern jede einzelne Seite von der grenzenlosen Liebe fürs Detail zeugt.

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Ein netter Spitzname war der erste Meilenstein auf der Kotzautobahn, die direkt nach Beziehungsstadt führt. Und sich Namen für erfundene Straßen auszudenken, um seinen Kummer zum Ausdruck zu bringen, war wahrscheinlich der erste Schritt hin zum Wahnsinn.
Aus: Jane & Miss Tennyson von Emma Mills, Seite 222. Textrechte: Königskinder

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Bücherliebe: Die Mission des Köngiskinder Verlages 


Die Bücher dieses Verlages lassen einen verstehen, was es mit der "Magie der Worte" auf sich hat. Wir wünschen uns Jugendromane, die berühren, verzaubern, aufrütteln, bewusst machen, in andere Welten entführen, uns die Perspektiven wechseln lassen, uns zum Lachen bringen und es uns unmöglich machen, sie aus der Hand zu legen. Der Königskinder Verlag hat es sich nicht nur zum hochgesteckten Ziel gemacht, uns mit genau solchen Büchern glücklich zu machen - er hat sein Ziel weitaus übertroffen.

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Der letzte Tanz oder: keine anspruchsvolle Jugendliteratur ohne anspruchsvolle LeserInnen


Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie unfassbar schade ich es finde, dass der Mainstream jener, die Jugendbücher kaufen, sich scheinbar zufrieden gibt mit 0815-Dreiecksgeschichtln, den immer selben Fantasyplots, flachen Rockstar-Liebesschnulzen. Alle diese Bücher haben ihre Berechtigung. 

Aber ich frage mich doch, wie es sein kann, dass diese reißenden Absatz finden, während der Vorhang für Verlage, die sich für grandiose Jugendliteratur einsetzen, für immer fällt. 

Vor allem, da gerade in letzter Zeit immer wieder auf Verlage hingehackt wird, die dem angeblichen Wunsch nach Authentizität und Repräsentation nach Meinung der Leser- und Bloggerschaft nicht genüge tun. 

Erblindung, Stottern, Rassismus, Teenagerschwangerschaften, Waisen-Dasein, Nerdtum, Identitätssuche, Einsamkeit, Sexualität, Liebe, Trauer, Verlust, … - die Vielfalt der Themen, die in den Titeln des Königskinder Verlags Platz finden, ist größer als groß. Den moralischen Hammer, den gewollt didaktischen Duktus, das nicht ganz so subtile Pädagogische, das sonst so vielen Jugendbüchern innewohnt, bleibt dem Leser vollkommen erspart, er darf sich mit gehaltvollen Geschichten auseinandersetzen, die Stoff für stundenlange Diskussionen bieten und trotzdem grenzenlos genießen. Wo ist der mündige Leser, der anspruchsvolle Leser, der genau diese Geschichten lieben, ja geradezu inhalieren würde, abgeblieben? Mehr als grenzenlos vielschichtige, bis ins kleinste Detail hervorragend lektorierte und korrigierte, traumhaft illustrierte und aufgemachte Bücher kann ein Verlag nicht anbieten. Zugreifen müsst ihr schon selbst, liebe LeserInnen! Besondere, Diversität repräsentierende Literatur zu verlangen und dann doch nur gehypten Titeln nachzulaufen ist wohl das größte Oxymoron, das man in der Buchbranche derzeit beobachten muss. Und das zu sehen, tut mir wirklich in der Seele weh. Jeder Leser ist auch Konsument – Nachfrage bestimmt Angebot. Wir selbst haben es in der Hand, daran sollten wir denken, wenn wir das nächste Mal über die vielen praktisch austauschbaren Titel im Jugendbuchbereich mosern…

Ich war unfassbar traurig und nicht zuletzt ein wenig wütend als mich die Nachricht erreichte, dass der Königskinder Verlag seine Tore schließen muss. Die LeserInnen fordern zwar immer öfter lautstark mehr Diversität und Qualität im Jugendbuchbereich, doch die Zahlen zeigen eines sehr genau: Die Mehrheit der LeserInnen läuft nach wie vor Mainstream-Titeln hinterher anstatt literarische Schätze wie die Königskinder als solche wahrzunehmen und Verlage, die sich der Herausgabe von Romanen, die Diversität, Einzigartigkeit und Liebe fürs Detail großschreiben zu fördern. Verlage, die nicht nur um die Lesefreude wissen, die gute Geschichten verursachen, sondern auch um den haptischen und optischen Genuss, ein unpackbar schön gestaltetes Buch in Händen halten zu dürfen.

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Die ganze Welt scheint leer und schmerzhaft. Ich hasse das Mondlicht, weil es so schön ist, und er nicht da, es mit mir zu sehen. Aber vielleicht haben auch Sie einmal jemanden geliebt und wissen Bescheid? Wenn ja, muss ich es Ihnen nicht erklären; wenn nicht, kann ich es nicht erklären.
Aus: Lieber Daddy Long Legs von Jean Webster, Seite 245. Textrechte: Königskinder Verlag

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Die Königskinder tanzen weiter …


Das Schöne ist: Die Bücher des Königskinder Verlages bleiben für die Ewigkeit und werden auch noch in Jahren zeigen: dieser Verlag stand für pure Bibliophilie. 

Ich für meinen Teil werde immer und immer und immer wieder ein Königskind zur Hand nehmen und das Glück genießen, das sich in einem breit macht, wenn man etwas liest, das sich einem sofort ins Herz schreibt.


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PS: Auch About Books | Skyline of Books | Bücherwanderin | liveyourlifewithbooks | Die Bücherwelt von CorniHolmes | Kathrineverdeen | Bücher ohne Ende | Annas Bücherstapel haben bei der Aktion "Ein letzter Tanz mit den Königskindern" ihre Gedanken zu dem Thema, Wissenswertes über ihre Lieblingskönigskinder und schöne Lesemomente geteilt.


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Es war, als würde ich mit einem dressierten Affen auf dem Kopf den Raum betreten und alle täten so, als wäre der Affe nicht da.
Aus: Wörter auf Papier von Vince Vawter, Seite 83. Textrechte: Königskinder Verlag

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