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[Rezension] Schuld: Stories von Ferdinand von Schirach

Montag, 16. Oktober 2017

Schuld von Ferdinand von Schirach Rezension www.nanawhatelse.at

„Die Buchsbaumhecke hatten sie letztes Jahr gepflanzt; das Jackett, das sie ihm zu Weihnachten geschenkt hatte, hing irgendwie schief an seinen Schultern. Der Polizist sagte, die meisten Ehefrauen würden nichts ahnen. Es sollte tröstlich klingen.“
Aus: Schuld von Ferdinand von Schirach, Seite 55. Textrechte: btb.

Klappentext: Ferdinand von Schirach stellt leise, aber sehr bestimmt die Frage nach Schuld und Unschuld, nach Gut und Böse.

Rezension: Schuld von Ferdinand Schirach umfasst 15 Kurzgeschichten, die vom Arbeitsalltag des Autoren-Anwalts, seinen täglichen Begegnungen mit Opfern und Tätern inspiriert wurden.

Zwar handelt es sich bei den Erzählungen um keine sachlichen True Crime Beschreibungen, sondern um Texte von hohem literarischem Wert – aufgrund der immer wieder unterstrichenen persönlichen Involviertheit des Autors in die beschriebenen Geschehen, der als handelnde (Neben-)Figur manchmal die Bühne betritt, teilweise auch nur kommentierend aus dem Off zu hören ist, wirkt das Erzählte erschreckend unmittelbar; viele Passagen lesen sich wie Gerichtsprotokolle, die grauenhafte Szenen vor dem geistigen Auge heraufbeschwören.


Einer der Jungen las laut den großen Exorzismus vor, das Rituale Romanum, päpstliche Handlungsanweisungen in lateinischer Sprache, geschrieben 1614. Seine Worte hallten in dem Raum, keiner von ihnen verstand sie. Die Stimme des Jungen überschlug sich, er war von sich selbst ergriffen. Sie glaubten wirklich, ihn von seinen Sünden zu reinigen.
Aus: Schuld von Ferdinand von Schirach, Seite 45. Textrechte: btb.

Die Kurzgeschichten, zwischen 4 und 32 Seiten lang, thematisieren Fälle von Mobbing, Sadismus, Selbstjustiz, sexueller und häuslicher Gewalt und Nötigung sowie folgenschwerer falscher Beschuldigungen. Wem explizite und sehr bildliche Beschreibungen zu Gemüte schlagen, dem sei gesagt: Einigen Geschichten hätte wohl eine Trigger-Warnung vorausgehen müssen.

Persönliches Fazit: Ferdinand von Schirach zeigt die klaffenden Abgründe zwischen Recht und Gerechtigkeit auf und lädt dazu ein, das eigene Verständnis von (Un)Schuld permanent zu hinterfragen. Prädikat: Lesenswert!


Schuld von Ferdinand von Schirach Rezension www.nanawhatelse.at









Autor: Ferdinand von Schirach
Titel: Schuld: Stories
Klappenbroschur
Verlag: btb (Random House)
Seitenanzahl: 208
ISBN: 978-3-442714971