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Es gilt vor allem das Gesetz der guten Nachbarschaft.
Das Buch, das man gerade sucht, ist nicht unbedingt das, das man lesen sollte.
Es lohnt sich, einen Blick auf das zu werfen, das daneben steht.
Aus: Charlotte von David Foenkinos, Seite 70. Textrechte: DVA
Inhalt: Berlin in den 1930ern: Bei den Salomons verkehren
gefeierte Sänger, Literaten und berühmte Wissenschaftler. Bis die Nazis dem
illustren Treiben ein jähes Ende bereiten – und damit auch Charlottes Traum,
Künstlerin zu werden. Die Flucht nach Südfrankreich beschert ihr noch etwas
Zeit, um zu leben, lieben und wie im Rausch zu malen.
Die angeregten Diskussionen im Hause Salomon bereichern
Charlottes Leben.
Sie entwickelt sich zu einer eifrigen und leidenschaftlichen
Leserin.
Verschlingt Goethe, Hesse, Remarque, Nietzsche und Döblin.
Aus: Charlotte von David Foenkinos, Seite 43. Textrechte: DVA
Idee: Das Ergebnis von David Foenkinos‘ Versuch, das Leben
der Charlotte Salomon, ihre Wünsche und Sehnsüchte, ihre Ängste und Träume auf
Papier zu bringen, ist dieser Roman. Aufwendig recherchiert der Autor das Leben
der jungen deutschen Malerin, deren Kunst als „entartet“ diffamiert wurde und
deren Leben dem nationalsozialistischen Terror zum Opfer fiel. Doch obwohl das
Leiden einen durchgängigen roten Faden im Leben der Charlotte Salomon darstellte – unzählige Selbstmorde in der Familie mütterlicherseits, der zunehmende
Antisemitismus, der Kampf als Frau und Jüdin in der Kunstszene Anerkennung zu
finden – gelingt es Foenkinos, auch die Sonnenstunden, die kleinen Freuden und
großen Lieben im Leben dieser brillanten, und sehr eigenwilligen jungen Künstlerin
festzuhalten, womit er ihr ein wunderschönes Denkmal setzt.
Er hat viele Gelegenheiten zu fliehen.
Aber er will seine Familie nicht im Stich lassen.
Er ist ein Bollwerk für die Schwachen, auf verlorenem
Posten.
Ein tapferer Mann.
1943 wird er ins Konzentrationslager Theresienstadt
verschleppt.
Wo zahlreiche Prominente und Künstler inhaftiert sind.
Ein Vorzeigelager.
Ein Schaufenster für das Komitee vom Roten Kreuz.
Das Komitee sieht nicht, was sich hinter den Kulissen
abspielt.
Die Nazis führen eine Nummer auf, alles in bester Ordnung
hier.
Singer bekommt sogar eine Rolle in diesem Schauspiel.
Er muss den Taktstock heben und ein Orchester dirigieren.
Die Überlebenden eines Orchesters.
Die Musiker werden nach und nach verstummen.
Und sang- und klanglos verrecken.
Aus: Charlotte von David Foenkinos, Seite 58. Textrechte: DVA
Umsetzung: David
Foenkinos beschreibt nicht nur den Weg seiner Recherchearbeit, sondern auch
seine Suche nach einer geeigneten Form und einer passenden Sprache, um zu
beschreiben, wozu oft die Worte fehlen. Jeder Satz beginnt in einer neuen
Zeile, Momenteindrücke, Gedankenfetzen, Erinnerungen. All das findet in der
gewählten Form Platz. Jeder Satz wirkt vollendet. Die Kapitel sind kurz und
gehen oft gekonnt ineinander über, dann wieder finden plötzliche Perspektiven- und Zeitwechsel statt. Und dennoch ist das Ergebnis absolut
stimmig, wie eine Melodie, die überwiegend von Moll-Akkorden getragen wird, in
die sich aber immer wieder, sanft aber unüberhörbar, fröhliche, Strophen in Dur
mischen.
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Sie möchte sich an irgendetwas festhalten.
Nicht mehr suchen müssen, was nicht zu finden ist.
Aus: Charlotte von David Foenkinos, Seite 62. Textrechte: DVA
Gestaltung: Den Schutzumschlag ziert das Selbstportrait
Charlotte Salomons. Ein erster Blick auf das Buch verrät somit nicht nur etwas über
Charlotte, sondern auch über ihre Malerei: ausdrucksstark und einzigartig.
Der so beschriebenen entarteten Kunst ist eine große
Ausstellung gewidmet.
Es wird gezeigt, was nicht gefallen darf.
[…]
Die Bücher sind bereits verbrannt, jetzt werden Bilder
bespuckt.
Aus: Charlotte von David Foenkinos, Seite 68. Textrechte: DVA
Fazit: David Foenkinos erzählt die Lebens- und
Leidensgeschichte einer außergewöhnlichen Frau, einer genialen Künstlerin und
verfolgten Jüdin. Mit dem Roman Charlotte gewährt Foenkinos Einblicke in ein Leben, das
von schweren Schicksalsschlägen gezeichnet war, von großen Persönlichkeiten
geprägt wurde und – wie es scheint – nur eine Bestimmung hatte: Die Malerei.
Ich vergebe 4,5 von 5 Gerrys für diesen außergewöhnlichen
Roman, der von wahren Begebenheiten berichtet und dennoch auch der Fantasie des Lesers Freiraum lässt. Charlotte ist eine Liebeserklärung an die Freiheit, die in trostlosen Zeiten manchmal nur noch in der Kunst gefunden und gelebt werden kann.
Ich bedanke mich von Herzen beim DVA-Verlag für das
Rezensionsexemplar!
Charlotte von David Foenkinos | Übersetzung: Christian Kolb | Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 240 Seiten | DVA, 2015 | ISBN: 978-3-421-04708-3