Seiten

[Rezension] Fragmente von Stefan T. Pinternagel

Mittwoch, 2. Juli 2014

Für Hardcore-Thriller-Fans ein absoluter Geheimtipp, für Zartbesaitete ein Albtraum:
Fragmente von Stefan T. Pinternagel
© ATLANTIS
Ein kleines bisschen zum Inhalt: Der Holiday-Killer erzählt in der Ich-Perspektive davon, was ihm so unheimliches Vergnügen daran bereitet, „Dinger“ zu beseitigen und was die besondere Ästhetik des Tötens ausmacht. Wie man zustechen muss, um die schönste Blutfontäne zu erhalten, warum der Geschmack von Menschenfleisch etwas unglaubliches Sinnliches hat und das Töten, die reinste Form der Lust beschert. Ungeschönt und ohne auch nur ein blutrünstiges Detail auszulassen, schildert er sozusagen „step by step“ seine Morde – und dem Leser wird dabei wirklich sterbenselend zumute.
 
Zitatrecht: © ATLANTIS

Umsetzung: Genial oder abartig? Ehrlich, ich kann mich nicht entscheiden. Tatsächlich präsentiert sich das Erzählte derart realitätsgetreu und detailliert, dass man schlichtweg das Gefühl hat, es tatsächlich mit dem Bekenntnis eines gestörten Psychopathen zu tun zu haben, der einem in diesem Manifest der Grausamkeit seine Gedanken offenbart. Abwechselnd schildert er seine von Misshandlung und Geringschätzung geprägte Kindheit und Jugend, in der er seine Faszination für Messer entdeckte und erzählt in allen Einzelheiten von der Planung und Durchführung seiner bisherigen Morde. Zudem finden sich in regelmäßigem Abstand immer wieder Kapitel, die ganz der Geschichte der Serienmörder gewidmet sind: Der Holiday-Killer vergleicht sich selbst mit den erschreckendsten Gestalten, die die Kriminalgeschichte vorzuweisen hat, kritisiert ihre Vorgehensweisen, zeigt Hochachtung vor besonders abgebrühten Killern und bietet so Einblick in die düstersten Winkel und Abgründe der menschlichen Seele.

Soundtrack: Das Knarzen einer Holztür. Der Schrei einer Krähe. Die schlurfenden Geräusche sich nähernder Schritte. Das wetzende Geräusch von Messer und Schleifstein. Der hektische Herzschlag eines Menschen, der vor Angst wie gelähmt ist. 

Zitatrecht: © ATLANTIS

Fazit: Für den sehr flüssigen Schreibstil und die vollkommen überzeugenden, vor Ironie sprühenden Monologe und Gedankengänge des Killers, die nicht zuletzt eine gute Portion Wortwitz enthielten, sowie für die gelungene Verstrickung der verschiedenen Erzählstränge und die akribische Recherche kann ich nur eine sehr gute Bewertung abgeben. 
Hierfür vergebe ich 4 von 5 (beinahe zu Tode erschrockenen) Gerrys
 
ABER: Ich zähle mich selbst zwar nicht zu den zartbesaiteten Lesern, hätte mir jedoch eine kleine Vorwarnung auf dem Cover oder im Klappentext gewünscht, dass dieses Buch wirklich NUR für Thriller-Fans mit sehr gutem Magen geeignet ist. Da ich auf derart detailliert beschriebene Brutalitäten und Gräueltaten einfach nicht gefasst war (und ich bin überzeugt, auf einen derartigen Inhalt ist niemand vorbereitet), jagte während des Lesens ein Schock den anderen und das Lesevergnügen geriet manchmal in den Hintergrund und wich blankem Entsetzen (was allerdings wiederum wirklich für den ERSCHRECKEND realitätsnahen und überzeugenden Erzählstil spricht). Kurz gesagt: Die Katze beißt sich hier wohl selbst in den Schwanz.