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[Rezension] Lost Land - Die erste Nacht von Jonathan Maberry

Sonntag, 9. Dezember 2012

Tom lächelte. "Ja, das stimmt. Ich habe von einer Menge Überlebenden Geschichten über die Erste Nacht und die darauffolgende Zeit gehört, und obwohl damals zahlreiche Menschen ums Leben kamen, wurden auch viele Helden geboren. Oft waren es die unscheinbarsten Menschen, die den Funken von etwas Größerem in sich entdeckten - irgendeine besondere Eigenschaft, die wahrscheinlich schon immer in ihnen gesteckt hatte. Aber die meisten Menschen werden selten oder nie einer harten Prüfung unterzogen und verbringen ihr ganzes Leben, ohne auch nur zu ahnen, dass sie gerade dann zur Bestform auflaufen, wenn die Zeiten am schlechtesten sind." [Textrechte: Thienemann Verlag, Seite 308 f.]
Ein klein wenig zum Inhalt: Vor 14 Jahren wurde in der Ersten Nacht die Apokalypse eingeläutet. Was damals genau geschah, weiß niemand, doch seit jener Nacht kehrt jeder Verstorbene wieder - als Zombie. Die Überlebenden der Ersten Nacht flüchteten an abgelegene Orte, erbauten winzige Städtchen, die sie mit Zäunen vom "Leichenland" trennten. Doch dienen die Barrikaden wirklich dazu die Zombies auszusperren oder vielmehr die Bewohner einzusperren?
Auch Benny lebt mit seinem Bruder Tom in einer solchen Stadt. In Mountainside. Benny hasst Tom, dem er vorwirft, ihre Mutter in der Ersten Nacht im Stich gelassen zu haben. Und er hasst die Zombies. Abgrundtief. Tom hat den Ruf, der beste Zombiejäger Mountainsides zu sein. Doch bald erkennen die Brüder, dass Stärke nichts mit Gewalt und Rache zu tun hat, sondern Mitgefühl oft weitaus mehr Mut erfordert ...

Idee: Ich muss gestehen, dass ich anfangs etwas skeptisch war, ob mir ein "Zombie-Buch" wirklich liegen würde. Nun kann ich getrost sagen: JA, JA, JA - es gefiel mir definitiv! Lost Land 1 malt das düstere Bild einer Zukunft, in welcher die Menschen dem Abgrund stets ins Auge blicken, spielt in einer Zeit, in der Zusammenhalt das Wichtigste sein sollte, in der das Wort "Menschlichkeit" aber tatsächlich für viele ein Fremdwort darstellt. Was hat es mit der Ersten Nacht auf sich? Wer ist das verlorene Mädchen, das völlig allein im Leichenland lebt? Ist es klug zu lieben, wenn der Schmerz hinter jeder Hausecke lauert?

Umsetzung: Was mich vor allem von der Story überzeugen konnte, ist ihre unglaubliche Vielschichtigkeit. So wird zum einen nicht an  Splattereffekten gespart, was den Adrenalinhaushalt beim Lesen ganz schön durcheinanderbringt. Zum anderen wird aber auch eine tragische Familiengeschichte erzählt, der Zwist der Brüder und ihre Versuche einander wieder näher zu kommen. Schließlich spannt sich durch die ganze Story hindurch eine thrillerhafte Komponente, aufgrund derer man sich zu fragen beginnt, ob die Menschen nicht das viel größere Übel als die Zombies sind. Und in all diesem Wirrwarr kommt auch die Liebe nicht zu kurz. Überraschungsmomente sind vorprogrammiert, die Spannung bricht zu keiner Zeit ab, man KANN dieses Buch nicht mehr aus der Hand legen.

Oft bin ich nach dem Lesen eines Buches unschlüssig, wie ich die Lektüre bewerten soll, weil mir einige Aspekte sehr gut, andere weniger oder gar nicht gefallen haben. Bei Lost Land - Die erste Nacht musste ich jedoch keine Sekunde überlegen. Bereits beim Zuklappen des Buches war klar, dass dieses Buch die höchstmögliche Punktezahl in meiner persönlichen Bewertung erreicht hatte, denn es gibt an diesem Buch NICHTS, was mir nicht gefällt.

"Äh ... Benny?", murmelte Nix mulmig. "Sie rennt auf die Zombies zu."
50 Meter vor ihnen hielt Lilah inne und winkte sie zu sich heran.
"Und sie will, dass wir ihr folgen."
"Ach du Scheiße." [Textrechte: Thienemann Verlag, Seite 421]

Charaktere: Benny ist ein zerrissener Charakter. Sein Hass auf die Zombies wird nur durch den Hass auf seinen Bruder Tom übertrumpft. Er wirkt anfangs unreif, weiß weder mit sich noch mit seinen Gefühlen gegenüber Nix etwas anzufangen. Erst in seiner (unfreiwilligen) Lehre zum Zombiejäger reift er - sowohl mental als auch emotional und entpuppt sich als kleiner Held, dessen Angsthasen-Gen manchmal ebenso hervorblinzelt, wie sein Draufgängergehabe. Schwer sympathisch, trotz oder gerade wegen seiner kleinen Macken.
Tom ist, meiner Meinung nach, der eigentliche Star der Geschichte. Er ist einfühlsam, mitfühlend, rechtschaffen, zugleich aber auch unheimlich tough und mit einem verboten lässigen Sexappeal ausgestattet. Ihr wollt einen Helden erleben? Vergesst Superman und macht Platz für Tom Imura!
Neben tausenden Zombies spielen aber auch Bösewichte aus Fleisch und Blut eine nicht unbeträchtliche Rolle und nicht nur unzählige Hetzjagden treiben den Puls der Imura-Brüder in die Höhe - wobei auch zwei hübsche junge Damen daran nicht ganz unbeteiligt sind.
Lost Land 1 präsentiert ein kunterbuntes, ausgefeiltes Romanpersonal - hochkarätige Besetzung!

Gestaltung: Ein schönes Zombiebuch, kann es das geben? Tatsächlich überzeugte mich die Gestaltung des Buches ebenso sehr wie die grandiose Story. Düster und bedrohlich verströmt das in Rot- und Grautönen gehaltene Cover genau jene Atmosphäre, die auch in der Story spürbar wird. Doch nicht nur der Schutzumschlag ist ein schauriger Eyecatcher, auch das hochwertige Hardcover besticht durch seine Aufmachung.

Soundtrack: Mein persönlicher Soundtrack zu diesem Buch stammt von einer meiner absoluten Lieblingsbands. Der Song "Without You" von Breaking Benjamin begleitete mich während des Lesens dieses Buches und garantierte die perfekte musische Untermalung meines Lesevergnügens.

Fazit: Ein Zombiebuch, das vom Kämpfen, vom Hoffen, vom Versagen und Verlorensein erzählt. Und vom Lieben. Ein Zombiebuch mit philosophischem Potential. Genial.

5 von 5 Gerrys


Lost Land - Die erste Nacht von Jonathan Maberry Originaltitel: Rot & Ruin Übersetzung: Franka Fritz und Heinrich Koop Thienemann Verlag 2012 Hardcover, 528 Seiten ISBN: 978-3522201513

Ich bedanke mich von ganzem Herzen beim Thienemann-Verlag für die großzügige Unterstützung!