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[Rezension] Das Spiel von Liebe und Tod von Martha Brockenbrough

Dienstag, 6. September 2016

Foto: www.nanawhatelse.at, Bildrechte (Cover): Loewe
Tod war eine gute Lehrerin. Die beste und auch grausamste.
aus: Das Spiel von Liebe und Tod von Martha Brockenbrough, Seite 379. Textrechte: Loewe

Der Klappentext: Immer wieder steht Henry vor der Tür des Jazzclubs, in dem Flora allabendlich singt. Er ist hingerissen von der schönen jungen Frau, ihrer Stimme und ihrer Musik. Flora dagegen versucht lange, sich gegen ihre Gefühle zu wehren. Ihre Haut ist schwarz und eine Beziehung mit einem weißen jungen Mann ist im Seattle des Jahres 1937 völlig ausgeschlossen. 
Was Flora und Henry nicht wissen: Sie sind nur Figuren in einem uralten Spiel, in dem die Liebe selbst und ihr alter Widersacher Tod menschliche Gestalt angenommen haben. Und beide nutzen all ihre manipulativen Fähigkeiten, um zu gewinnen. Textrechte: Loewe

Rezension: Zwar ging der trojanische Krieg – der Krieg um die schöne Helena – als eines der zentralsten Ereignisse der Antike in die Geschichte ein, doch tatsächlich, war er nur Bestandteil eines Jahrtausende alten Spiels. Die Geschichte von Romeo und Julia, die uns noch heute zu Tränen rührt und als die wohl tragischste Liebesgeschichte der Welt gilt, ist ebenfalls nichts weiter, als das Zeugnis einer verlorenen Wette. Denn seit Urzeiten spielen und wetten Liebe und Tod gegeneinander – und bisher ging immer Tod als Sieger hervor. Im Seattle des Jahres 1937 geht das Spiel zwischen Liebe und Tod in eine weitere Runde. Dieses Mal sind Flora, die junge Jazzsängerin, die vom Fliegen träumt und Henry, der nichts als Musik im Kopf hat, die beiden Schachfiguren im Spiel der höchsten Mächte. 

Bereits das außergewöhnliche Setting zeichnet diesen wundervollen Jugendroman aus. Im Amerika der 30er, in dem das Miteinander der beiden aufgrund der herrschenden Apartheidspolitik erschwert und freigeistige Frauen nur ungern gesehen werden, beginnt die zarte Liebe zwischen Henry und Flora zu blühen – trotz aller Widerstände, Zweifel und Hürden, die ihnen in den Weg gelegt werden. Schon in jungen Jahren müssen die beiden Protagonisten lernen, mit großen Verlusten umzugehen und sich als Waisen durchzuschlagen. Obwohl fantastische Elemente die Handlung durchziehen, merkt man recht schnell, dass man es bei Das Spiel von Liebe und Tod nicht nur mit einem kurzweiligen Fantasy-Roman zu tun hat, sondern ebenso mit einem hervorragend recherchierten Epochenpanorama. 

„Aber erinnerst du dich denn gar nicht, wie es als Kind war?“, fragte er. „Wie viel einfacher und klarer alles war? Manchmal glaube ich, was die Liebe angeht, sind Kinder viel klüger als wir alle. Sie zweifeln sie nicht an. Nicht eine Sekunde lang. Und sie stellen auch nicht infrage, dass ihre Liebe erwidert wird. Irgendetwas passiert mit uns, wenn wir erwachsen werden. Das Schicksal trampelt uns nieder. Wir vergessen, wie es ist, wenn man einfach nur liebt, ohne das Chaos des Lebens mit in die Suppe zu werfen. Wir tauschen Liebe gegen Angst ein. Und das will ich einfach nicht mehr.“
aus: Das Spiel von Liebe und Tod von Martha Brockenbrough, Seite 348. Textrechte: Loewe

Henry ist eine ungemein sympathische Figur: trotz unzähliger Schicksalsschläge gelingt es ihm stets, das Positive in den Dingen zu sehen; sein selbstloser und humorvoller Charakter macht ihn zu einem Protagonisten, den man einfach ins Herz schließen muss. Flora hingegen hat das Leben vorsichtig und zögerlich gemacht, wenn es darum geht, ihr Herz für andere zu öffnen – schließlich scheint es, als lauere hinter jeder Ecke der Verlust. Während Liebe alles daran setzt, dass die beiden zusammenfinden, lässt Tod nichts unversucht, um Henry und Flora voneinander zu trennen. 

Die Thematisierung der Zwei-Klassen-Gesellschaft, die großen Raum in der Geschichte einnimmt, und nicht nur die Missstände in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, sondern auch Probleme der Gegenwart vor Augen führt, wirkt authentisch und ist dabei zugleich berührend und schockierend. Weitere behandelte Themen, die in der Handlungszeit des Romans wohl häufig als Tabus galten, aber auch ganz zentral in der Lebenswelt des (jugendlichen) Lesepublikums sind, sind etwa Homosexualität und Legasthenie.


Manche Menschen waren, genau wie manche Songs,
einfach mehr als bloß die Summe ihrer Teile.
aus: Das Spiel von Liebe und Tod von Martha Brockenbrough, Seite 140. Textrechte: Loewe

Der Roman behandelt mal mehr, mal weniger intensiv ein breites Spektrum an ernsten Themen. Die fantastisch-mythischen Handlungsstränge peppen die Geschichte auf und verpassen ihr einen lockerleichten, humorvoll-philosophischen Anstrich, sodass die Handlung nie in wirklich in Ernsthaftigkeit versinkt. Dennoch ist es gerade der Fantasy-Anteil, der nicht 100%ig zu überzeugen weiß: die Umstände und Regeln des Spiels wirken nicht ganz schlüssig, das Verhalten von Liebe und Tod als personifizierte und handelnde Figuren ist stellenweise absolut fragwürdig und nicht nachvollziehbar und die Auflösung des Dilemmas zum Schluss ist auch ein klein wenig seicht geraten. Das sind allerdings nur winzigkleine Kritikpunkte, denn alles in allem ist Das Spiel von Liebe und Tod ein gelungener und sehr kurzweiliger Jugendroman mit einem überschaubar großen, aber sehr interessanten Romanpersonal, einem ungemein spannenden Setting und einer im Großen und Ganzen überzeugenden Handlung.

Persönliches Fazit: Das Spiel von Liebe und Tod von Martha Brockenbrough ist ein sehr vielschichtiger Jugendroman, der reale gesellschaftliche und soziale Probleme in einem fantastischen Rahmen anspricht, in dem auch die Philosophie nicht zu kurz kommt. Dieses Buch bietet eine weltoffene, aufgeklärte und herzerwärmende Sicht auf das, was die Welt am Laufen hält: die Liebe.

Das Spiel von Liebe und Tod von Martha Brockenbrough | Originaltitel: The Game of Love and Death | Übersetzung: Jessika Komina und Sandra Knuffinke | Loewe, 2016 | Gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag, 400 Seiten | ISBN 978-3-7855-8262-6