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[Rezension] Cry Baby von Gillian Flynn

Dienstag, 7. August 2012


"Mit den Toten kann man nicht konkurrieren. Und doch versuche ich es immer wieder."

Cry Baby von Gillian Flynn
Das verrät der Klappentext: Sie wollte nie wieder zurück. Nie wieder nach Hause. Nie wieder an den Schmerz denken. An den Tod ihrer kleinen Schwester. Die kalte Liebe ihrer Mutter.
Doch dann werden in der Kleinstadt WInd Gap zwei Mädchen ermordet. Und Camille soll die Hintergründe des brutalen Verbrechens recherchieren. Der Ort ihrer Kindheit empfängt sie voller Feindseligkeit. Und je näher Camille der Lösung der Mordfälle kommt, desto tiefer wird der Schmerz. Eine Geschichte, die in ihrem Kopf bleiben wird, zusammengerollt und zischend wie eine Schlange in einer Höhle..

Idee: Die Idee an sich finde ich gut durchdacht. Und eigentlich hat sie auch jede Menge Potenzial. Eine von Selbstzweifeln und Erinnungen zerfressene Protagonistin, die auch nach zwanzig Jahrne nicht über den Tod ihrer kleinen Schwester hinwegkommt und unter der Gleichgültigkeit ihrer Mutter leidet, kehrt zurück um als erfolgreiche Reporterin über die bestialischen Morde an jungen Mädchen in ihrem Heimatort Wind Gap zu berichten. Doch wohin sie auch geht.. alle Wege führen vor ihre eigene Tür. Die Idee gefällt mir nach wie vor - die Umsetzung ließ mich jedoch zu keiner Zeit gespannt an meinen Nägeln kauen und bescherte mir auch keine schlaflosen Nächte. Eher ließ mich die Obszönität und die unmenschliche Widerwärtigkeit beinaher aller Charaktere verdammt oft mit dem Kopf schütteln.

Charaktere: In der gesamten Handlung des Buches gibt es keinen einzigen Charakter, den man auch nur ansatzweise als normal bezeichnen würde. Ich mag spleenige Protagonisten, selbst an den Tätern in Thrillern schätze ich ihre ausgefeilten Marotten, Phobien und kranken Gedanken - das macht eine handelnde Figur nun einmal aus. Im Fall von "Cry Baby" hatte ich leider jedoch lediglich das Gefühl, dass beim Schreiben versucht wurde, möglichst viele psychopathisch veranlagte Menschen in einem doch relativ dünnen Büchlein zu vereinen. 10-jährige Mädchen, die sich im Werkunterricht Scheren in die Augen und Nadeln in die Wangen rammen, Mütter, die am Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom leiden, und dadurch ihre Kinder langsam und qualvoll umbringen, 13-jährige Mädchen, die mit einem Lächeln auf den Lippen Burschen dazu anheuern, in Ungnade gefallene Freundinnen zu vergewaltigen und die Protagonistin Camille, die jeden einzelnen Zentimeter ihres Körpers verstümmelt hat, indem sie sich hunderte Wörter in die Haut ritzt, die mit ihrer kleinen Schwester Drogen nimmt und bei der selbst der kleine Keim an Romantik, der in der Geschichte aufkommt, abprallt. Man empfindet beinahe alle Charaktere als vulgär, gewalttätig und eigentlich möchte man ihnen allen schizophrene Neigungen andichten. Und obwohl ich von jeder Figur nach dem Lesen des Buches eine Krankheitsgeschichte im Din-A4-Format verfassen könnte, blieben sie für mich dennoch seicht, ihnen fehlte sowohl Tiefe als auch Authentizität.

Gestaltung: Die Broschur lag gut in der Hand und auch das Cover gefiel mir eigentlich recht gut. Ich hab' mir eine gebrauchte Weltbild-Ausgabe ertauscht, aber auch das wohl bekanntere, schlichte Cover vom Fischer-Verlag, verrät eigentlich bereits seeehr viel vom Inhalt.

Soundtrack: Im Hintergrund der Geschichte könnte Tainted Love von Marilyn Manson spielen ;) [Tatsächlich liebe ich das Lied. Aber es spiegelt vermutlich am Besten die Stimmung wieder, die die Autorin erreichen wollte, die sie mir aber leider nicht glaubhaft vermitteln konnte :/]


Fazit: Im Klappentext wurde eine Geschichte versprochen, "die in ihrem Kopf bleiben wird, zusammengerollt und zischend wie eine Schlange in einer Höhle." Dieses Versprechen hat das Buch aber, was mich betrifft, nicht halten können. Die Idee dahinter ist gut, die Umsetzung konnte mich aber leider keineswegs überzeugen.

1,5 von 5 Sternen

 Weltbild, 319 Seiten, mehr Infos zum Buch :)