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[Rezension] Asche und Phönix von Kai Meyer

Mittwoch, 3. April 2013

"Verrat ist so ein scheußlicher Zug an euch Menschen", sagte Libatique und kam näher. "Wäre ich bei eurer Schöpfung beteiligt gewesen, ich hätte mich dafür eingesetzt, ihn durch Verlässlichkeit zu ersetzen." 
[Seite 377]

Asche und Phönix
von Kai Meyer
Ein klein wenig zum Inhalt: Parker ist ER. Der Junge, den die Mädchen aus aller Welt lieben, dessen Poster tausende Teeniezimmer ziert und dem Herzen zufliegen, ohne dass er auch nur einen Finger dafür rühren muss. Parker ist schön, reich, sexy - und furchbar einsam. Denn eigentlich lieben sie nicht Parker - sondern Phönix, den süßen Magier. Die Rolle, die Parker weltberühmt gemacht hat.
Ash ist die Welt der Reichen und Schönen in etwa so nahe wie der Mond (zumindest wenn sie sich nicht gerade in ihrem Zimmermädchenoutfit in deren Suites aufmacht, um sie ein bisschen ärmer zu machen. Ein kleines bisschen...).  Niemand kennt sie, niemand will sie, niemand liebt sie. Sie wohnt überall und nirgendwo und ist dennoch an keinem Platz zu Hause.
Als Ash und Parker aufeinandertreffen, kollidieren zwei Welten. Sie fliehen gemeinsam aus ihren alten Leben - wovor? Vor einem teuflischen Pakt, der Vergangenheit und einer Welt, in der nichts unmöglich scheint.

Umsetzung: Vielleicht etwas mehr blutrünstiges Kopfkino und etwas weniger Romantik als erwartet - aber das ist auch gut so! Denn in der Welt, mit der sich Phönix und Ash herumschlagen müssen, hat Kitsch keinen Platz - die Liebe inmitten all der Katastrophen jedoch schon! Ich muss gestehen, ab und an musste ich "Aschte und Phönix" wirklich zur Seite legen und meinem Herzen Zeit geben sich wieder zu beruhigen - denn dieses Buch ist NICHTS für schwache Nerven! Die beiden Protagonisten auf den verschiedenen Etappen ihrer Reise bzw. Flucht zu begleiten, ist Abenteuer pur, denn Kai Meyers Geschichte bietet eine knackige Mischung aus Action, witzigen Wortgefechten, Begegnungen dämonisch-süßer Art und einzigartigen Charakteren (die man lieben, hassen, hasslieben lernt).
Der Sternchen-Abzug rührt daher, dass (1) viele der (tatsächlich wenigen liebenswerten) Charaktere, die man gerne näher kennenlernen möchte, einfach von der Bildfläche verschwinden. Dieser Umstand ist der für meinen Geschmack etwas zu brutalen Narur des Buches geschuldet - wo Parker und Ash auf ihrer Reise auch Halt machen - sie ziehen eine Schneise der Verwüstung hinter sich her und bringen allen, die ihnen helfen, Unglück und Tod. (2) Die beschriebene Brutalität ließ das Kopfkino über lange Strecken wirklich zum Horror-Streifen werden. Ich bin etwas Grusel, Spuk und Splatter durchaus nicht abgeneigt, aber in diesem Fall hat ein ZUVIEL davon, dem Buch ein wenig von seinem Potential genommen. (3) Die Altersempfehlung des Verlages lautet: ab 14 Jahren. Und die sollte wirklich NICHT unterschritten werden.

Es gibt Bücher, deren Klappentext, deren Aufmachung, deren Titel in mir schon so ein gewisses Feeling für das Buch auslöst. Eine Erwartung. Man weiß, womit man es zu tun haben könnte, oder hat zumindest eine vage Ahnung davon. Kai Meyer ist es mit "Asche und Phönix" gelungen, jede meiner Ahnungen ad absurdum zu führen, jede meiner Erwartungen in einer Sackgasse enden zu lassen, während er zugleich tausend kleine Türchen für mich öffnete. Der pure Wahnsinn :)

Flüchtig strich ihre Hand über die Anhänger, die sie versteckt unter der Zimmermädchenuniform trug, eine Sammlung religiöser Symbole an Kettchen und Lederbändern: ein Davidstern, ein Kreuz, ein altägyptisches Anch, dazu das achtspeichige Rad des Buddhismus, ein Halbmond und der neunzackige Stern der Bahai. Hätte sie jemand gefragt, ob sie an Gott glaubte, an irgendeinen, hätte sie verneint. Aber sie ging auf Nummer sicher. Zumindest mangelndes Bemühen würde man ihr nicht vorwerfen können.
 [Seite 24]

:)
Gestaltung: Ja, ja, ja. Ich bin ein oberflächlicher Mensch. Es muss so sein. Denn ich habe mich in "Asche und Phönix" auf den ersten Blick verliebt! Innere Werte? Pah! Ein düster-schönes Äußeres, eine samtigweiche Oberfläche und Sinn für edle Details - und schon ist die Nana um den Finger gewickelt *seufz*  Umso schöner jedoch, wenn die Schönheit, an der sich das Auge erfreut, mit der Genialität des Inhalts zu konkurrieren weiß, die das Bücherherz zum Hüpfen bringt! :D
Ich liebe das verspielt schaurige Cover, die traumhafte Bindung, und das seidige Lesebändchen in anthrazitgrauer Farbe. Ich bin verzaubert.

Soundtrack: Ash und Parker sind nicht herzlos. Nicht kalt. Nicht gefühllos. Aber leer. Bis sie zueinander finden und die Einsamkeit, die stets ihr teuer Begleiter war, endlich ein Ende nimmt. In meinem Kopf schwirrte oft der wunderschön-traurige Song "Heartless" von The Fray herum. (Auch wenn ich zugeben muss, dass es nicht wenige furchtbar gruselige Stellen im Buch gab, in denen das Kopfkino vom Titelsong von "Der weiße Hai" begleitet wurde und mir zusätzliche Gänsehaut bescherte!)


Fazit: Asche und Phönix locken den Leser in eine unerwartet blutrünstige, fantastische Welt inmitten der unseren. In eine Welt der Machtgier und der Ruhmessucht, eine Welt, die sich um Sex und Geld dreht und in der dennoch die Liebe über allem steht. Berührend, erschreckend - teuflisch gut!!

3,5 von 5 Sternen

ABER: Ein Bild sagt ja bekanntlich mehr als tausend Worte:

Lesern mit starken Nerven kann ich "Asche und Phönix" wärmstens empfehlen.
Jenen, die sich eine fantastische Liebesgeschichte erwarten, kann ich nur sagen: HIER seid ihr falsch.

Ich bedanke mich von Herzen bei Kai Meyer und dem Carlsen Verlag für fesselnde Lesestunden, grenzgeniales Kopfkino und die freundliche Unterstützung!



Gebundene Ausgabe: 464 Seiten (E-Book inklusive!)
Verlag: Carlsen (November 2012)
ISBN-10: 3551582912
ISBN-13: 978-3551582911
Vom Hersteller empfohlenes Alter: Ab 14 Jahren
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