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[Rezension] Das geheime Prinzip der Liebe von Hélène Grémillon

Sonntag, 18. März 2012

Foto: www.nanawhatelse.at, Bildrechte (Cover): Hoffmann und Camp

"Die Liebe ist ein geheimnisvolles Prinzip, ihr Ende noch viel mehr.
Man weiß vielleicht, warum man liebt, aber niemals, warum man nicht mehr liebt."
aus: Das geheime Prinzip der Liebe von Hélène Grémillon, Textrechte: Hoffmann und Campe
Hélène Grémillon schuf mit ihrem Debütroman ein Meisterwerk, das auf poetisch-blumige und dennoch erschreckend präzise Weise von den menschlichen Abgründen zu berichten weiß. Von den Albträumen, die uns verfolgen, selbst wenn wir wachen, von den Menschen, die wir hinter uns gelassen haben und dennoch ständig mit und in uns tragen, von den Erinnerungen, die wir nur allzu gern verbannen würden - die uns ungnädiger Weise jedoch immer wieder vollkommen unerwartet heimsuchen.

Idee: Jeder von uns kennt die Theorie, dass der Flügelschlag eines Schmetterlings über den Ozean hinweg einen Tornado auslösen könne. Genau von diesem Flügelschlag handelt dieses Buch: der Sturm, der auf den Flügelschlag folgt, ist unaufhaltsam. Eine, wenn auch gut gemeinte Fehlentscheidung, die unvorstellbare Folgen hat. Ich muss gestehen, ich liebe die Idee dieses Romans, ebenso wie die Umsetzung. Geheimnisvolle Briefe, die die Vergangenheit heraufbeschwören und die hübsche Camille dennoch im Dunkeln tappen lassen. Das Schicksal zweier Frauen, die durch Liebe verbunden waren: die Liebe zum gleichen Mann. Der zweite Weltkrieg, der den Atem der Welt stocken lässt - und angesichts des privaten Weltunterganges der Protagonisten dennoch in den Hintergrund rückt.

Schreibstil und Umsetzung: Hélène Grémillon ist Drehbuchautorin, Regisseurin und Journalistin. Vielleicht liegt es an ihrer Affinität zum Film, dass ihr Debüt ein bildgewaltiges, zu Herzen gehendes und aus dem Leben gegriffenes Stück Literatur ist. Selten hat man als Leser das Vergnügen Gefühle so unmittelbar miterleben zu dürfen. Nicht nur die historische Verflechtung der Erzählung, sondern auch die gewählte Form der Darstellung konnten mich voll und ganz überzeugen. Die Briefe, durch die die eigentliche Geschichte erzählt wird, dienen als Rückblenden, durch die sich die Gegenwart erst entschlüsseln lässt. Trotz aller Tragik, obwohl ich das ein oder andere Mal vor Verzweiflung über die Kurzsichtigkeit der Charaktere gern schreien hätte mögen, schafft Hélène Grémillon es, dass ich nach dem Lesen dieses Romanes, der eine Aneinanderreihung von Verrat, Betrug, Lügen, versäumter Augenblicke, Gewalt und Verzweiflung ist, das Gefühl hatte, eine Geschichte zu lesen, die vor allem von einem handelte: der Liebe.

Gestaltung: Unaufdringlich und wunderschön. Die schwarz-weiß-Fotografie eines Paares, das sich einen purpurroten Schirm teilt und von diesem halb verborgen wird: denn Liebe ist ein Geheimnis. Auch das Innenleben ist toll und durchdacht gestaltet: die Schriftarten sind ansprechend und variieren je nachdem, ob es sich um einen Brief oder Erzähltes handelt. Dieser Roman liegt wunderbar in der Hand und ziert als ganz besonderer Bücherschatz nun mein hocherfreutes Bücherregal.


".. ich konnte die Briefe so oft lesen, wie ich wollte. Die Vergangenheit blieb mir verschlossen."
aus: Das geheime Prinzip der Liebe von Hélène Grémillon, Textrechte © Hoffmann und Campe

Fazit: Kein SOLL, sondern ein MUSS! Wer Briefe ebenso liebt wie ich und die Kombination aus Liebesroman mit historischem Charakter und tragischer Erzählung zu schätzen weiß, wird in diesem Roman viele Wahrheiten entdecken.


Das geheime Prinzip der Liebe von Hélène Grèmillon | Übersetzung: Claudia Steinitz |
Hoffmann und Campe, 2012 | Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 256 Seiten | ISBN: 978-3-455-40096-0

Ich darf mich von ganzem Herzen bei www.lovelybooks.de und dem Verlag Hoffmann und Campe für dieses außergewöhnlich berührende Lesevergnügen bedanken!