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[Rezension] Der Tag, an dem ich starb von Anthony McGowan

Mittwoch, 27. Juli 2011

"Also erinnere ich mich. Und ihr wisst ja, wie das mit dem Erinnern ist. Man kommt leicht durcheinander, vermischt Altes mit Neuem, das Jetzt mit dem Damals. Aber manchmal lande ich genau an der richtigen Stelle, und dann höre ich sie reden und sehe, sie sie sich bewegen, dann bin ich wieder voll und ganz bei ihnen. So wie jetzt."

aus: Der Tag, an dem ich starb von Anthony McGowan
Zitatrechte © Ravensburger Buchverlag

© Ravensburger Buchverlag
Ein klein wenig zum Inhalt: (Achtung: Spoilergefahr!) Zwei Schulen, die seit Jahrzehnten verfeindet sind. Warum? Das weiß keiner so genau. Doch nicht nur zwischen den Schulen wird ein hasserfülltes Gegeneinander gelebt, sondern auch innerhalb dieser herrscht der blanke Terror. Und manchmal trägt dieser sogar einen Namen.
Paul Vardermann ist das, was man gemeinhin als graues Mäuschen bezeichnet. Langweilig. Einzelgänger. Regelrecht unsichtbar. Doch plötzlich gerät er ins Visier der Schlägertruppe von Roth. Roth, der meistens seine Fäuste sprechen lässt und die anderen Schüler auf grausamste Weisen demütigt, hat jedoch nicht vor, gegenüber Paul gewalttätig zu werden, vielmehr möchte er ihn auf seine Seite ziehen. Und obwohl Paul weiß, was für ein furchtbarer Mensch Roth ist, immer wieder durch ihn in Schwierigkeiten gerät, und ihn eigentlich abgrundtief hasst, fühlt es sich auch unwiderstehlich gut an, "dazuzugehören". Zur gleichen Zeit freundet er sich mit einer Gruppe an, deren Mitglieder von allen nur "Freaks" genannt werden. In Maddy, ein schüchternes Mädchen aus eben dieser Gruppe, ist er schon lange heimlich verliebt. Und Shane, der sanftmütige und kluge Kopf  der Clique, scheint ihn immer wieder auf den richtigen Weg zu bringen, ihm zu helfen, dem Zwang durch Roth zu widerstehen und ihm ein guter Freund zu sein. Doch als Paul von Maddy bei einer Verabredung im Kino versetzt wird, und ihm zugetragen wird, dass sie eigentlich mit Shane zusammen war (Spoiler! was sich als Lüge herausstellt), bricht für ihn eine Welt zusammen und er wendet sich von seinen Freunden ab und Roth zu. Es kommt zu einem Kampf zwischen den beiden Schulen, Paul steckt mittendrin, als rechte Hand Roths... und verliert schlussendlich nicht nur seine einzigen wahren Freunde, sondern auch sich selbst. Für immer.

Charaktere: Man erfährt relativ wenig über die Vergangenheit und Gedanken der Figuren. Einzig Pauls Innenleben, seine Gedanken, Erinnerungen, Gefühle werden für den Leser greifbar. Shane wird als der Gute, Roth als der brutale Böse abgestempelt. Normalerweise hasse ich diese Gut-Böse-Klischees, sie haben in diesem Buch aber ihren Zweck ("Die Moral aus der Geschicht...") erfüllt.

Stil: Vor allem, die Gedankeneinschübe vor den Kapiteln, die beschreiben, wie Paul ein Messer in Zeitlupentempo auf sich zukommen sieht, seine Überlegungen dazu, fortgespannt bis zum Ende der Erzählung, fand ich brillant. Angenehm und leicht zu lesen, wobei der Autor wohl bemüht war, einen Roman in "Jugendsprache" zu schreiben, was ihm teilweise überraschend gut gelingt, an anderen Stellen jedoch aufgesetzt wirkt.

Handlung: Die Geschichte fesselte mich vor allem aufgrund der Moral, die dahintersteckt. Eine Botschaft, die bei jedem Leser ankommen MUSS. Das Ende, das von "happy" allerdings weit entfernt ist, hat mich schockiert, rechnete ich doch die ganze Zeit noch mit einer Wende zum Positiven.

Fazit: Ein gelungener Jugendroman, der zeigt, wie gefährlich es ist, ein unmündiger Mitläufer zu sein. Aber auch, wie schwer es sein kann, GEGEN den Strom zu schwimmen, für andere einzustehen und da zu sein, wenn man sich selbst vollkommen hilflos fühlt.

Generell würde ich dem Buch 3 von 5 Sternen verleihen, aber der Schreibstil des Autors hätte wohl einen 4ten verdient. Dieses Buch ist kein MUSS, aber die Gedanken, die daraus hervorgehen, sind definitiv wertvoll.

Infos zum Buch:
"Der Tag, an dem ich starb" von Anthony McGowan
Übersetzung: Katarina Ganslandt
Taschenbuch: 256 Seiten
Verlag: Ravensburger Buchverlag
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3473583766
ISBN-13: 978-3473583768
Originaltitel: The Knife That Killed Me